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0603 - Die Pestklaue von Wien

0603 - Die Pestklaue von Wien

Titel: 0603 - Die Pestklaue von Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Gestalt verbarg ihn hinter seinem Rücken.
    Das Gesicht wirkte bleich trotz des dunklen Bartes, der die Wangen umwucherte. Bisher hatte sich die Geistgestalt in der Handfläche nicht bewegt, das aber änderte sich, denn seine rechte Schulter zuckte. Gleichzeitig sorgte er mit einer Drehbewegung dafür, daß dieser Arm vor den Körper gedrückt wurde.
    Nur aus dem linken Mantelärmel schaute die Hand, nicht aber aus dem rechten.
    Und den zog die Gestalt leicht zurück, sie schob ihn nach oben, damit der Prior erkennen konnte, daß sich darin keine Hand befand, sondern nur mehr der Armstumpf.
    Trotz der Furcht dachte der Prior realistisch. Die Hand, die dem rechten Arm fehlte, die sah er ebenfalls um einiges vergrößert. Sie war es, die vor ihm stand und die Gestalt umhüllte.
    Reden konnte er nicht, er wartete darauf, daß der andere etwas tat, und er wartete nicht vergebens, denn aus der Handfläche drang ihm das scharfe Flüstern einer Stimme entgegen.
    »Ich bin wieder da.«
    Der Prior schwieg, denn er konnte mit diesen Worten überhaupt nichts anfangen.
    »Hast du nicht gehört? Ich bin wieder da!«
    »Ja – sicher.«
    »Mehr sagst du nicht?«
    »Was sollte ich denn?«
    »Erinnerst du dich nicht. Denke zurück, Jahrhunderte Prior. Lange Jahrhunderte.«
    »Da habe ich nicht gelebt.«
    »Ich weiß«, erwiderte die geisterhafte Gestalt in der Handfläche.
    »Halte mich nicht für dumm. Aber du bist der Prior, du wirst die Geschichte kennen, nicht wahr?«
    »Welche?«
    »Die deines Ordens.«
    »Ja, die kenne ich.«
    »Dann weißt du auch über Wien Bescheid, über die Zeit der Pest, des großen Grauens, wo unzählige Menschen einfach in die Gräber geworfen wurden.«
    »Davon habe ich gehört.«
    »Es war eine sehr schlimme Zeit!« drang die dünne Stimme durch den Raum, »eine sehr, sehr schlimme. Die Verantwortlichen haben keine Rücksicht genommen. Sie töteten auch die, die ihnen unbequem waren, das wirst du ebenfalls gelesen haben.«
    »Es war nicht nur hier.«
    »Da hast du recht. Nur verzeihe ich es deinen Brüdern nicht, daß sie ebenfalls töteten. Sie haben nicht unterschieden, sie waren brutal, sie waren grauenhaft. Und sie haben die Templer gehaßt!«
    Der Prior wußte selbst nicht, woher er den Mut zum Widerspruch nahm. »Das ist eine Lüge. Die beiden Orden haben sich nie gehaßt. Nicht hier und nicht auf der Insel Malta.«
    »Doch!«
    »Erkläre es mir.«
    »Deshalb bin ich zurückgekehrt«, flüsterte der Geist innerhalb der Handfläche. »Genau deshalb. Denn es waren Malteser, die mich, Hercule de Dijon bestraften, mir die Hand abhackten und mich lebend in eine der verdammten Pestgruben schleuderten. Hast du gehört, was sie mit mir taten? Sie hackten mir die rechte Hand ab und schleuderten mich lebend in eine Pestgrube, wo mein Körper verweste, bis nur mehr die bleichen Knochen zu sehen waren. Aber sie haben nicht mit meiner Kraft gerechnet und nicht damit, daß ich zurückkehren würde, denn meinen Geist konnten sie nicht vernichten. Er war in der Hand gelangen, die sie mir nahmen, und du siehst ihn jetzt vor dir. Ich bin ein Geist, aber ich werde befreit, das kann ich dir versprechen.«
    Der Prior hatte in den vergangenen Sekunden viel gehört, das er zunächst einmal verdauen mußte. Vor allen Dingen dachte er über die Sätze des Templers nach, die sich mit der Vergangenheit beschäftigt hatten. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, daß Malteser und Templer Feinde bis in den Tod gewesen waren.
    »Du glaubst mir nicht?« höhnte der Geist.
    »Ich… ich weiß es nicht genau, tut mir leid. Templer und Malteser, sie haben sich nicht …«
    »Doch, sie haben. Ich, Hercule de Dijon bin dafür das beste Beispiel, mein Freund.«
    »Warum denn?«
    Da lachte die unheimliche und durchscheinende Gestalt. »Vielleicht deshalb, weil ich einen anderen Weg gegangen bin und Menschen zu demjenigen hinziehen wollte, dem ich diente.«
    Der Prior runzelte die Stirn, wobei sich seine Augenbrauen heftig bewegten. »Du hast nicht dem Allmächtigen…«
    »Nein, nein, nein! Ich habe mich auf die andere Seite geschlagen.«
    Seine Stimme nahm trotz des Flüsterns einen lauernden Klang an.
    »Kennst du Baphomet? Hast du von ihm schon gehört?«
    Der Prior überlegte. »Ich glaube…«
    »Er ist ein Teil des Teufels. Er ist der mit den Karfunkelaugen und dem langen Ziegenbart. Nicht alle Templer haben seine Macht erkannt, nur einige von uns. Aber wir haben zusammengehalten, das kann ich dir schwören, das verspreche

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