0603 - Die Pestklaue von Wien
Sie?«
»Noch nichts.«
»Das habe ich mir gedacht. Ob Sie hier tatsächlich eine Spur finden werden, ist fraglich.«
»Wo hätten Sie denn angefangen?«
»Das ist eine gute Frage, auf die ich Ihnen keine Antwort geben kann. Sorry.«
»Das sehe ich auch so.«
Ich ging weiter und erkannte erst jetzt die gesamte Pracht des Altars. Er war wunderbar, ich konnte nur staunen und nahm den Geruch der frischen Sommerblumen wahr, die als Schmuck auf der breiten Platte ihre Plätze gefunden hatten.
Spuren, daß die gewaltige Monsterhand hier gewütet hatte, entdeckten wir nicht. Diese Kirche wirkte verlassen, aber nicht vergessen, denn vieles deutete daraufhin, daß sie noch für Messen benutzt wurde. Ich hatte mein Kreuz nicht mehr vor der Brust hängen, sondern es in die Tasche gesteckt, in die ich jetzt auch die rechte Hand hineingleiten ließ und die Faust sich um den Talisman schloß.
Keine Wärme, die es abgab, keine Warnung von dem Bösen oder Unheimlichen.
Vor dem Altar blieb ich stehen. Er lag etwas erhöht. Zu ihm führten mehrere Stufen hoch. Damit er nicht betreten werden sollte, war eine rote Kordel gespannt worden, über die wir hinwegschauten.
Der Kommissar schüttelte den Kopf.
»Haben Sie was?«
»Ja. Ich bin der Ansicht, daß wir einer falschen Spur hinterher rennen, Kollege.«
Ich hob die Schultern.
»Sie nicht?«
»Malteser und Templer, Kommissar, zwischen den beiden existiert eine Verbindung, darauf können Sie sich verlassen.«
»Und davon sind Sie überzeugt?«
Walter war sauer. »Wir hätten lieber im Hotel bleiben und die Zeugin beschützen sollen. Ich kann mir nämlich sehr gut vorstellen, daß es die verfluchte Hand noch einmal bei ihr versuchen wird. Sie ist der rote Faden.«
»Das glaube ich auch, rechne allerdings nicht damit, daß sich Isabel de Dijon in Lebensgefahr befindet, sonst hatte die Klaue schon längst zugeschlagen.«
»Machen Sie es sich da nicht zu einfach.«
»Nein, Kollege, überhaupt nicht. Ich gebe zu, daß ich von Erfahrungswerten ausgehe…«
»Die habe ich auch.«
Ich lächelte kantig, als ich ihn anschaute. »Sollen wir uns hier streiten?«
»Tut mir leid, aber mir ist der Fall an die Nieren gegangen. Vielleicht reagiere ich übernervös, doch so etwas habe ich noch nicht erlebt. Da kann ich nicht hingreifen, nicht zupacken, weil ich einfach keinen Gegner sehe, wie sonst.«
»Das ist oft unser Problem.« Mir fiel auf, daß Suko verschwunden war. Ich fragte den Kommissar nach ihm.
»Nein, den habe ich auch nicht gesehen.«
»Seltsam.«
Da kam er schon. Er hatte sich dort umgesehen, wo es innerhalb des Kirchenschiffs einen dunklen Ort gab, und zwar an der Seite.
Die Bilder eines Kreuzwegs tauchten dort schemenhaft an der helleren Wand im Hintergrund auf.
Er kam zu uns.
»Was entdeckt?« fragte ich.
»Nein oder ja. Eine kleine Tür, die ich allerdings nicht geöffnet habe. Ich nehme an, daß sie in eine Sakristei führt.«
»Wollen Sie sich dort auch umschauen?« fragte der Kommissar.
»Was kann da schon sein?«
»Werden wir festgestellt haben, wenn wir den Raum besichtigen.«
Ich folgte Suko der parallel zum Altar ging.
Die Tür war wirklich nur bei genauerem Hinsehen zu erkennen.
Sie kam mir schmaler vor als eine normale, auch wenn sie sich in der Höhe nicht von anderen unterschied.
Es glich beinahe einer Automatik, daß ich mit der rechten Hand mein in der Tasche steckendes Kreuz umfaßte und plötzlich merkte, wie es sich erwärmte.
Nur Suko hatte mein Zusammenzucken gesehen, schaute mich an und stellte mit den Augen die Frage.
Akustisch gab ich die Antwort. »Es hat sich erwärmt.«
»Was?« fragte der Kommissar.
»Mein Kreuz.« Ich deutete auf die Tür. »Gehen Sie davon aus, Kommissar, daß wir in dem Raum dahinter etwas entdecken werden, was uns möglicherweise nicht gefallen wird?«
Er wollte die Tür aufreißen, ich schleuderte ihn fest zurück. »Nicht so hastig, oder sind Sie lebensmüde?«
»Auf keinen Fall.«
Suko wartete, denn er kannte die Regeln. Ich hielt das Kreuz offen in der Hand, sah auch das leichte Flimmern, berührte die Klinke und öffnete die Tür mit einem Ruck.
Da war der Schatten – und drosch zu!
***
Es war die verfluchte Klaue. Wir sahen sie zwar für einen Moment als Schatten, aber sie kam mit der Wucht eines mächtigen Geschosses, quer und hochkant.
Sie hätte uns trotzdem erwischt, zumindest mich, weil ich am nächsten stand. Mit einem gewaltigen Sprung nach hinten rettete ich mich, prallte auf
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