0603 - Die Pestklaue von Wien
den harten Boden, stieß zu fest mit dem Hinterkopf auf und sah zunächst einmal Sterne.
In das Blitzen vor meinen Augen mischte sich der Schrei des Kommissars.
Was geschehen war, konnte ich nicht sehen, aber Suko hatte es mitbekommen. Ihm war eine ähnlich schnelle Reaktion gelungen wie mir, nur hatte er noch beim Fallen den Kommissar mit einem Tritt erwischt und ihn von der Tür weggestoßen.
Die Pestklaue, welche Kraft sie auch immer führte, war mit allen Wassern gewaschen. In der Malteser-Kirche, wo sie den nötigen Platz hatte, breitete sie sich aus, kippte gleichzeitig nach vorn weg und drehte sich leicht.
Der abgespreizte »kleine« Finger erwischte den unglücklichen Kommissar Walter. Der Treffer war so wuchtig, daß er den Kommissar in die Höhe hob und weiterschleuderte bis gegen die Bankreihen, in die er hineinkrachte. Sein Schrei erstarb.
Suko rollte über den Boden. So versuchte er, der Killerklaue zu entkommen, deren Finger sich bewegten und immer länger zu werden schienen. Die Wand hielt den Chinesen auf. Er riß die Beretta hervor, wollte auf das gewaltige Ziel anlegen, als sich die Pestklaue noch einmal drehte und dabei eine Sitzbank zertrümmerte, deren Teile sie in Sukos Richtung schleuderte. Der Inspektor zog den Kopf ein, riß die Arme noch als Deckung hoch und wurde trotzdem erwischt. Irgendein langes, hartes Teil knallte gegen seine Arme.
Inzwischen stand auch ich wieder auf den Beinen. Zwar noch wacklig, jedoch bereit, mich der Hand zu stellen.
Das brauchte ich nicht mehr. Sie raste bereits in Richtung Ausgang, wobei die Tür kein Hindernis darstellte. Ob Mauer, ob Tür, das war zu schaffen, aber als Faust, denn die Klaue zog sich gedankenschnell zusammen und rammte dagegen.
Das Krachen und Splittern toste durch das Kirchenschiff. Ich hatte mich unwillkürlich geduckt, aber keine Fetzen flogen in unsere Richtung, die landeten draußen auf der Kärntner Straße, von der aus Sonnenlicht durch die Öffnung flutete, zugleich mit den Schreien der entsetzten Passanten, die jetzt ebenfalls die Klaue sahen.
Sie konnte sich nicht mehr verstecken, das war vorbei. Da ich nach vorn schaute und mein Blick auch durch die Lücke fiel, sah ich, wie die Menschen auseinanderströmten. Die Hand war nur mehr ein Schatten, der in der breiten Straße den Bogen früh genug bekam und mit einer hohen Geschwindigkeit dem blauen Himmel entgegenstrebte.
Ich startete wie ein Sprinter. Auf dem glatten Boden kam ich noch ins Rutschen, was mich nicht weiter kümmerte, und ich nahm den gleichen Weg wie die Hand, hechtete durch die Lücke und stand in der dumpfen Wärme zwischen den Hausfronten.
Wo war sie?
Mitten auf der Straße blieb ich stehen, kam mir vor wie auf einer Insel, starrte gegen den Himmel, sah nur die Sonne, die in der Bläue wie ein grelles Auge stand.
Keine Spur mehr von der Klaue. Der Himmel oder andere Straßenschluchten hatten sie verschluckt.
Ich ballte vor Wut beide Hände und bekam nun jetzt das Chaos um mich herum mit.
Viele Menschen hatten sich zu Boden geworfen. Sie standen auf, ihre Gesichter waren bleich und vom erlebten Schrecken gezeichnet.
In zahlreichen Sprachen schrien sie mich an, von irgendwoher sah ich die Uniformen der Polizisten, dann ging ich wieder zurück in die Kirche, wo ich Suko neben einem Kommissar Walter fand, der reglos zwischen den Trümmern einer Bank lag.
Nun durchfuhr mich der Schreck. »Ist er…?«
»Nein, John, er lebt. Aber er hat etwas abbekommen. Wahrscheinlich einen Bruch an der Schulter.«
»Verdammt auch!«
Der Kommissar war bewußtlos. Dunkles Blut färbte seine blonden Haare. Auch auf dem Kopf hatte es ihn erwischt.
»Warst du schon in der Sakristei?«
»Nein, noch nicht.«
Wir gingen gemeinsam, auf halbem Wege hörten wir die Schreie der Polizisten, die mit gezogenen Waffen in die Kirche stürmten und uns festnehmen wollten.
Es gab ein Palaver, in das sich auch Walter einmischte, der aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht war, kaum sprechen konnte und dennoch das Wichtigste flüsternd sagte.
Ein Beamter verschwand, um einen Krankenwagen zu alarmieren.
Der Kommissar brauchte ärztliche Behandlung.
»Die Sakristei«, mahnte mich Suko an.
»Okay.«
Wir beide fühlten uns mies, weil wir mit dem Schlimmsten rechneten. Die Tür hatte einige Macken abbekommen, mehr nicht. Wir zogen sie auf und blieben stehen.
Stumm vor Entsetzen schauten wir auf den Mann, der vor einer Wand lag und sich nicht mehr rührte.
Zum erstenmal erlebten wir, wie
Weitere Kostenlose Bücher