0603 - Nächte des Schreckens
eines Tages einfach nicht mehr auffindbar. Sie waren einfach weg. Als hätten sie sich in Luft aufgelöst.«
»Fünfundzwanzig Leute?« echote Nicole. Sie hatte ihr Mahl inzwischen beendet und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Gespräch der beiden Professoren zu. »Verschwunden?«
Derleth nickte. »Fünfundzwanzig«, bestätigte er. »Wahrscheinlich noch mehr, die in den amtlichen Aufzeichnungen nicht erwähnt werden. Aber das ist noch nicht alles, denn was auch immer in diesem Haus lauert, es verfügt anscheinend über die Macht, Menschen in den Wahnsinn zu treiben, sie um den Verstand zu bringen. Allein im Laufe der letzten fünfzig Jahre gab es neun Fälle, bei denen in und um Hidden Place vormals psychisch völlig normale Personen aufgegriffen wurden, die plötzlich nicht mehr in der Lage waren, sich auch nur an ihre Namen zu erinnern, geschweige denn daran, was mit ihnen geschehen war. Und wir sprechen hier nicht von irgendwelchen Hinterwäldlern, sondern von Medizinern, Polizisten und anderen angesehenen Persönlichkeiten. Das Böse machte selbst vor zwei Priestern nicht halt, die das Haus in den vierziger Jahren auf den Wunsch der damaligen Bewohner hin exerzieren wollten. Es verwirrte den Verstand der beiden Geistlichen, und niemals konnte festgestellt werden, was diesen armen, bedauernswerten Leuten widerfahren ist.«
Zamorra lehnte sich zurück, griff nach seinem Chablis und trank einen Schluck von dem Rotwein, während er sich die Worte des ›Kollegen‹ durch den Kopf gehen ließ. Schließlich sah er ihn an und sagte: »Sie meinen also, daß in dem Haus irgendeine Kraft oder Macht wohnt, die Menschen entweder irgendwie entführt oder sie in den Wahnsinn treibt. Habe ich Sie da richtig verstanden?«
Derleth nickte.
»Tja«, brummte Zamorra nachdenklich. »Komische Geschichte.«
»Das kann man wohl sagen«, pflichtete Nicole ihm zu.
»Aber warum sollte das Haus, sofern es tatsächlich in irgendeiner Form für diese Zwischenfälle verantwortlich ist, sich an all diesen Menschen vergangen haben? Wo ist das Motiv?«
Derleth zuckte die Schultern. »Keine Ahnung«, gestand er. »Aber mit Ihrer Mithilfe wäre es uns vielleicht möglich, das Geheimnis des Marsten-Hauses zu lösen, Professor.«
Zamorra beugte sich vor. »Wer sind ›wir‹?«
»Wir«, erklärte Derleth, »sind zwei meiner Mitarbeiter von der parapsychologischen Fakultät und einige meiner Studenten. Wir haben vor, das kommende Wochenende in der alten Villa zu verbringen, um vor Ort diverse Untersuchungen anzustellen. Sie wissen schon, Videokameras, Bewegungsmelder, Infrarotkameras, Thermometer… die gesamte Palette. Und wir hatten eigentlich gehofft, daß Sie, Professor, uns bei unserer Arbeit sozusagen als Berater zur Seite stehen, zumal ich zugeben muß, daß ich auf dem Gebiet der Parapsychologie eher ein Theoretiker bin, wohingegen Sie bekanntlich mehr der Praxis zugeneigt sind.« Er lächelte verschmitzt.
»Nun«, begann Zamorra, trank noch einen Schluck von seinem Wein. »Auch wenn ich nicht ganz davon überzeugt bin, daß in dem Haus wirklich irgendwelche übernatürlichen Mächte am Werk sind, Ihre Geschichte klingt doch recht interessant. Die Villa steht in Hidden Place, Connecticut, sagten Sie?«
Derleth nickte. »Ein wenig außerhalb des Ortes, ja.«
Zamorra ließ den Rotwein in seinem Glas kreisen, dann faßte er einen Entschluß.
»In Ordnung, Professor. Ich bin dabei. Können Sie mir eine Wegbeschreibung zum Marsten-Haus geben?«
»Selbstverständlich!« Derleth strahlte. »Eine Sekunde!« Er begann, hektisch in der schmalen Aktentasche zu wühlen, die er die ganze Zeit über auf dem Schoß liegen hatte. Schließlich förderte er einen fotokopierten Landkartenausschnitt zutage. Er reichte das Blatt dem Dämonenjäger.
Zamorra nahm die Kopie entgegen.
»Vielen Dank.«
Er vermied es bewußt, Nicole anzusehen, weil er ganz genau wußte, daß sie ihn am liebsten bei lebendigem Leibe gehäutet hätte. Er warf einen Blick auf die Karte.
»Ab wann sind Sie in dem Haus?«
»Unsere Gruppe trifft am Freitagnachmittag ein«, erklärte William Derleth. »Allerdings würde es reichen, wenn Sie gegen neunzehn oder zwanzig Uhr kommen, da wir erst noch die ganzen Geräte aufstellen müssen.«
Zamorra nickte. »Ich werde da sein.«
Derleth grinste wie ein Honigkuchenpferd.
»Wunderbar!«
Er sah Nicole Duval an, deren Miene in den letzten zwei Minuten zunehmend düsterer geworden war.
»Und Sie, Miss?« fragte er. »Werden Sie
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