0604 - Stunden der Angst
Kollege?«
»Er durchsucht den Garten.«
Sie nickte anerkennend. »Der hat aber Mut.«
»Das gehört auch zum Job.«
Lydia lächelte mich an. »Allmählich revidiere ich meine Ansicht über Polizisten.«
»Sollte mich freuen.«
Sie winkte neckisch und ging. Ich hatte direkt mitbekommen können, wie ihr ein Stein vom Herzen gefallen war. In den letzten Minuten hatte sie sich völlig verändert.
Uns konnte das nur recht sein. Ein zitterndes Nervenbündel zu bewachen, ist auch nicht das Wahre.
Ich hatte die Beine ausgestreckt und wollte mich im Sessel in Richtung Fenster drehen, als plötzlich ein irrer Schrei durch das Haus tobte. Mir war sofort klar, daß nur eine geschrien haben konnte.
Lydia Farell!
***
Ihr war, als hätte sie sich einen Schuß versetzt oder einen starken Adrenalinstoß bekommen, jedenfalls ging es ihr wesentlich besser als vor dem Besuch der beiden Beamten. Die Angst war nicht verschwunden, nur zurückgedrängt, aber Lydia wurde jetzt besser mit ihr fertig, und sie wußte auch, daß sie von den Männern Unterstützung erwarten konnte.
Fast beschwingt lief Lydia Farell die Holzstufen hoch, auf denen ein Teppich die Schritte schluckte.
In der ersten Etage lag eigentlich ihr Reich. Dort führte sie auch die Gäste hin, die sie regelmäßig besuchten. Sie hatte keine billige, schwülstige Pornoheft-Atmosphäre geschaffen, schon im Flur hingen Gemälde und moderne Spiegel, aber auch große Aktaufnahmen.
Die Tür zum Schlafraum – man konnte auch Arbeitszimmer sagen – hatte sie verbreitern lassen. Dahinter zeigten die Wände auch wieder das sanfte Grün, das sich wie gelackt aussehend in zahlreichen Schattierungen und Farbnuancen verteilte.
Auch die entsprechenden Spiegel fehlten nicht, ließen sich allerdings zusammenklappen, nicht jeder wollte sich eben bei bestimmten Dingen selbst zuschauen können.
Neben dem Schlafraum befand sich das kleine Bad, zu dem eine Dusche und eine Wanne gehörten.
Vor der Tür blieb Lydia stehen. Sie überlegte noch, was sie eigentlich anziehen sollte. Sie griff zu einem lockeren T-Shirt und Jeans.
Als sie öffnete, spürte sie den Durchzug. Er streifte über ihr Gesicht und ließ sie frösteln. Nicht nur äußerlich, auch innerlich zog sich einiges in der Magengegend zusammen.
Das Fenster stand offen!
Sie überlegte. Konnte es jemand geöffnet haben, oder hatte sie es nicht geschlossen? Ihr fiel ein, daß sie das Fenster offengelassen hatte, ging in das Zimmer – und blieb wie angewurzelt stehen, während sie die Hände gegen die Wangen gepreßt hatte.
Das war Wahnsinn, das war unmöglich, einfach verrückt, denn vor dem Bett hockte das Monster!
Häßlich, grausam, mit einem Buckel, eine widerliche Kreatur, die jeder Beschreibung spottete.
Das Monstrum schaute sie nicht einmal an, es sah zur Seite hin, und Lydia konnte sein Profil erkennen und natürlich die Schnauze, die tatsächlich Ähnlichkeit mit der eines Schweins aufwies. Zudem wuchsen Borsten auf den Pusteln oder dicken Geschwüren des violetten Rückens.
Wie eine Schlange oder ein Ameisenbär schoß eine Zunge aus dem runden Maul und schabte über den lindfarbenen Teppichboden, als wollte sie dort die Flusen aufsammeln.
Lydia wußte nicht, was sie tat. Sie stand unbeweglich und kam sich vor wie in einem Film. Die Tür war nicht zugefallen, sie drückte gegen den Körper der Frau, die ihr im Wege stand.
So hätte sie ein Maler zeichnen können, und Lydia spürte die Hitze in sich hochsteigen. Wellen, heiß wie Feuer, wechselten sich ab mit kalten Schauern.
Schüttelfrost…
Dann bewegte die Kreatur ihren Körper; langsam, beinahe schwerfällig und andächtig drückte sie ihn herum. Die scharfen Krallen – mindestens doppelt so lang wie die einer Katze und auch wesentlich dicker – hakten sich im Teppichboden fest, als wollten sie dort einen besonderen Halt finden.
Jetzt, dachte sie. Jetzt wird es dich killen. Jetzt wird es zuschnappen und dann…
Die Gedanken tobten in ihrem Hirn. Das Monstrum ließ sich nicht beirren. Es tat so, als würde sie die Frau überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen. Durch das Fenster, dachte Lydia, es muß durch das Fenster gekommen sein. Himmel, warum habe ich es auch nicht geschlossen!
Dann starrte die Kreatur sie an. Plötzlich hatte Lydia den Eindruck, daß sich etwas Fremdes in ihr Gehirn schob. Eine Botschaft, eine Erklärung.
»Wir sind die Damions, die Damions…«
Das war genau der Zeitpunkt, wo die Starre sie verließ, denn sie begann gellend
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