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061 - Im Reich der Tausend

061 - Im Reich der Tausend

Titel: 061 - Im Reich der Tausend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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murmelte monoton vor sich hin und gaffte die Decke an. Was immer das Kerlchen dort zu berichteten hatte - es schien diese Leute wenig zu interessieren.
    Durch besonderes Desinteresse tat sich der Gentleman hervor, dessen Finger nun zur Hälfte in seinem Nasenloch verschwunden war. Dies entging jedoch nicht der merkwürdigen Hoheit, die nun wutentbrannt und mit dem Ausruf »Job tjovo math!« einen Colt aus dem Holster zog und dem ignoranten Element aus einer Entfernung von fünf Metern kaltblütig durch den Kopf schoss.
    Der Mann flog nach hinten. Die Anwesenden brüllten auf und stoben auseinander. Die Aufmerksamkeit aller galt nun zu hundert Prozent dem Gekrönten, und Commander Drax, der sich auch nach zwei Jahren in dieser rohen Welt noch nicht an alle Sitten und Gebräuche hatte gewöhnen können, schloss für ein paar Sekunden die Augen. So lächerlich seine momentane Umgebung auch wirkte - er würde es schwer haben, lebend von hier zu entkommen.
    Die Hoheit brüllte das nun totenbleiche Kerlchen mit der Pelzmütze an, und dieses breitete zitternd die Arme aus und stieß einen neuerlichen Wortschwall hervor. Schließlich schrie es: »Herr Hauptmann! Herr Hauptmann!«
    Matts Kopf ruckte erneut hoch. Hatte er richtig gehört? Hatte das Bürschlein tatsächlich die deutsche Sprache bemüht?
    »He, Kleiner«, rief er aufgeregt in der gleichen Sprache, die er fließend beherrschte.
    »Du hast doch gerade ›Herr Hauptmann‹ gesagt! Sprichst du Deutsch? Kannst du mich verstehen?«
    »Herr Hauptmann?«, schrie die Hoheit. Ihr lauernder Blick richtete sich auf Matt, und auch der Dürre stierte den gefesselt am Boden Liegenden wie ein Weltwunder an.
    Der Glatzkopf schnippte mit den Fingern und brüllte etwas. Zwei der anwesenden Militärs sprangen vor, packten Matt und rissen ihn ruppig auf die Beine.
    »Fuck you«, knurrte Matt wütend. Schon war das Schwindelgefühl wieder in seinem Kopf. Andererseits hatte er nun Gelegenheit, sich genauer im Saal umzusehen. Er maß etwa hundert Quadratmeter und war fast völlig kahl. An den fensterlosen Wänden standen Holzbänke, und die beiden Türen - die eine ähnelte einem Portal, die andere befand sich hinter dem Thron - wurden von je zwei bleichen Uniformierten mit klobigen Schusswaffen bewacht. Die Mauern waren mit Holz getäfelt. An der Wand hinter dem Thron, gleich neben der Tür hing ein Glasrahmen, in dem eine antike Zeitungsseite mit einigen Fotos zu sehen war. Leider zu weit entfernt, um sie zu lesen.
    »Fuck you?«, wiederholte ein anderer Bursche verdutzt - ein Greis mit Rauschebart und Pelzkappe, der aus dem Kreis der Zuschauer hervortrat. Damit schien er einen Affront gegen die Etikette begangen zu haben, denn die mörderische Hoheit brüllte ihn so herzerfrischend an, dass er sich zusammenduckte. Der Alte buckelte ein paar Mal und antwortete mit einem nervösen, slawisch klingenden Wortschwall. Die Hoheit deutete auf den Gefangenen und brüllte erneut, bis Rauschebart sich zu Matt umwandte und fragte: »Ich bin verdienter Gelehrter Stepaan. Redest du die Altsprak?«
    Matt, der nicht die leiseste Ahnung hatte, was er damit meinte, fiel ein Stein vom Herzen. »Na endlich jemand, der mich versteht!«, erwiderte er auf Englisch. »Wo bin ich hier? Und warum hält man mich fest? Ich habe nichts getan!«
    Der Greis bedeutete ihm mit Handzeichen, langsamer zu reden. Offensichtlich hatte er mit dem Englischen seine liebe Müh. »Der Zar wissen möchte, wer bist du und woher kommst du«, radebrechte er dann.
    Der Zar? Dann waren das Russen? Matt war verwirrt. Was machten Russen hier in Kanada?
    »Man nennt mich Maddrax. Ich bin ein Forschungsreisender. Ich kam mit zwei Gefährten in diese Stadt. Izeekepir-Jäger haben sie entführt. Weißt du, wo sie sind?«
    Stepaan übersetzte seine Worte für die Hoheit. Der Zar stellte ihm eine Frage. Der Gelehrte schüttelte den Kopf und sagte deutlich »Njet«.
    Die Hoheit sprach Matt jetzt direkt an; Stepaan übersetzte.
    »Du gehörst zu den faschistischen Okkupanten und bist ins Reich der Tausend gekommen, um unsere Schätze und Errungenschaften zu plündern!«
    »Was?«, entfuhr es Matt verblüfft. »Daran ist kein Wort wahr!«
    »Maul halten, faschistischer Okkupant! Du hast nur zu reden, wenn Fjodoor der Gütige es dir erlaubt.« Stepaan war es sichtlich peinlich, die Worte seines Herrschers zu übersetzen.
    Fjodoor der Gütige? Matts Blick fiel auf die Leiche des Operettenoffiziers, der von den Türwachen gerade diskret

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