061 - In der Gewalt der Schneemenschen
rauh.
„Sie sind also Dorian Hunter", fuhr er fort. „Gregor hat mir viel von Ihnen erzählt."
„Hoffentlich nur Gutes", sagte Dorian.
Srongs Gesicht blieb unbewegt.
„Ich wollte Sie nur begrüßen", sagte Srong abweisend. Irgendwie nahm er eine feindselige Haltung ein. „Mein Platz ist bei den Sherpas."
Er verbeugte sich leicht und verließ gemessenen Schrittes das Messezelt.
„Ein seltsamer Vogel", brummte Dorian. „Ist er immer so?"
„Fast immer", sagte Jeff. „Das beste ist, wenn du ihn einfach nicht beachtest."
Dorian nickte.
„Gregor", sagte er. „Morgen führen Sie uns zu der Stelle, wo Sie die Höhle entdeckt haben!" Yameshi nickte.
„Sie haben es aber verdammt eilig, Dorian", meinte er. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir noch zwei Tage mit der Suche warten."
„Das halte ich auch für besser", meinte die Ärztin.
Dorian schüttelte den Kopf.„ Ich will keine Zeit verlieren. Wir wissen nicht, wie lange die Suche dauern wird. Und um ehrlich zu sein, ich genieße das Leben in einem Zelt bei Minusgraden überhaupt nicht."
„Du bist zu verweichlicht." Jeff grinste.
„Darüber läßt sich streiten", sagte der Dämonenkiller. „Ich bin dafür, daß..."
Lautes Schreien war zu hören. Yameshi sprang auf und griff nach seiner Command Lady. Er lief zum Zeltausgang, und Dorian folgte ihm.
Das Schreien war lauter geworden. Dorian verstand nur ein Wort: Yeti.
Einige Sherpas rannten wie verrückt zwischen den Zelten hin und her.
Yameshi packte sich einen der Männer und schrie ihn an. Der Mann stammelte etwas. Yameshi stieß ihn zur Seite.
„Ein Yeti wurde außerhalb des Lagers gesehen!" rief er Dorian zu. Yameshi lief zwischen den Zelten hindurch. Dorian, Jeff, Coco und die beiden Kameramänner folgten ihm.
Hinter dem Lager dehnte sich eine flache schneebedeckte Ebene aus, die bis zu einer Schlucht reichte. Die Ebene war vielleicht dreihundert Meter lang.
Dorian blieb stehen. Eine riesige, grauhaarige Gestalt war zu sehen, die wie ein Menschenaffe aussah. Ein Yeti.
Die beiden Kameraleute knipsten wie verrückt. Yameshi rannte dem Yeti nach. Er war der einzige, der bewaffnet war.
Der Yeti war nur noch wenige Meter von der Schlucht entfernt. Er drehte sich einmal zur Seite, und da sahen sie, daß er eine ohnmächtige Gestalt in den Armen hielt. Es war ein rotgekleideter Mann. „Schießen Sie, Yameshi!" brüllte Jeff. „Der Yeti entkommt uns sonst."
Yameshi blieb stehen, hob das schwere Gewehr, zielte und drückte ab. Der Schuß klang wie das Dröhnen einer Kanone. Yameshi hatte gut getroffen. Der Yeti zuckte zusammen, ließ aber den Ohnmächtigen nicht los. Sekunden später war er in der Schlucht verschwunden.
Sie rannten los. Yameshi hatte einen Vorsprung von mehr als fünfzig Metern. Nach einigen Minuten erreichte er die Schlucht, zögerte einen Augenblick und rannte dann weiter.
Kurze Zeit später kam Dorian in die Schlucht. Auf dem Boden lag der ohnmächtige Mann, den der Yeti hatte fallen lassen. Der Dämonenkiller sah deutlich die Fußspuren im Schnee. Er kniete neben dem Bewußtlosen nieder, der auf dem Rücken lag, Arme und Beine hatte er weit von sich gestreckt, und amtete nur noch schwach. Sein Gewand war über der Brust zerrissen. Der Yeti hatte ihm schreckliche Wunden beigebracht.
„Wir müssen den Mann ins Lazarett bringen", sagte Dorian. „Packt mit an!"
Nils Dahlberg und Pablo Lozada interessierten sich nicht für den Verwundeten. Sie rannten tiefer in die Schlucht hinein, getrieben von der Aussicht, daß ihnen weitere Fotos gelingen könnten. Die beiden Ethnologen schlossen sich ihnen an.
Dorian sah ihnen kopfschüttelnd nach und wandte sich Jeff zu.
„Ich packe ihn an den Beinen", sagte er. „Du und Coco faßt an den Schultern an.
„Diesen Mann kenne ich nicht", sagte Jeff, als er ihn hochhob.
Khapa Srong kam ihnen entgegen. Er warf dem Bewußtlosen einen flüchtigen Blick zu, dann ging er wortlos auf die Schlucht zu.
Als sie das Lager betraten wurden sie von den Sherpas umringt, die ihnen neugierig zum Lazarett folgten. Sie trugen den Bewußtlosen hinein und legten ihn auf ein Bett.
„Brauchen Sie unsere Hilfe?" fragte Dorian die Ärztin.
„Entkleiden Sie ihn, bitte!" sagte sie. „Dann brauche ich Sie nicht mehr."
Sie zogen dem Mann die Kleider aus, und Delphine Benne untersuchte die Verletzungen.
„Wie sieht es aus?" fragte Dorian. „Wird er durchkommen?"
„Das ist schwer zu sagen", meinte die Ärztin. „Die Wunden sind ziemlich
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