061 - In der Gewalt der Schneemenschen
des kleinen Ofens war es nicht warm im Zelt. Alle behielten ihre Anoraks an.
Der Wind zerrte an den Zelten, als Dorian auf das Messezelt zustapfte. Er konnte nur wenige Meter weit sehen. Einige Meter vor dem Zelt blieb er stehen und drehte sich um. Undeutlich erkannte er zwei Gestalten, die rasch näher kamen. Es waren Khapa Srong und Pemba, die sich lautstark unterhielten. Als sie den Dämonenkiller sahen, blieben sie stehen. Srong rief Pemba etwas zu, der eifrig nickte. Dann setzte sich Srong langsam ist Bewegung. Der kleine Mann baute sich vor Dorian auf und stützte die Hände in die Hüften.
„Was haben Sie gegen mich, Srong?" fragte der Dämonenkiller.
Srong starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen an und wollte sich abwenden. Da packte ihn Dorian an der rechten Hand und zog ihn näher heran.
„Ich stellte Ihnen eine Frage, Srong!"
„Lassen Sie mich los!" fauchte Srong wütend.
„Was haben Sie mit Pemba zu tuscheln gehabt, Srong?"
„Das geht Sie nichts an, Sie verdammter..."
„Sprechen Sie weiter, Srong!"
Der Expeditionsleiter schwieg.
Dorian kniff die Augen zusammen. Er wollte eine Bestätigung für seinen Verdacht haben. Von Yameshi wußte er, daß sich Khapa Srong zum Lamaismus bekannte. Die Anschläge auf ihn und das Tuscheln mit dem Wandermönch machten Khapa Srong für Dorian äußerst verdächtig.
„Sie hassen mich, Srong", stellte Dorian fest. „Weshalb?"
Srong versuchte sich loszureißen, doch der Dämonenkiller verstärkte seinen Griff.
„Sie glauben, daß ich ein Anti-Bodhisattva bin", sagte Dorian. „Mich würde nur interessieren, wie Sie auf diese verrückte Idee gekommen sind."
Srong schrie etwas in einer Sprache, die Dorian nicht verstand. Dabei verzerrte sich das Gesicht des Expeditionsleiters.
Einige Sherpas traten aus den Zelten und kamen rasch näher.
„Lassen Sie mich augenblicklich los, Sie Lügner!" zischte Srong. „Sonst hetze ich Ihnen meine Männer auf den Hals."
„Können wir nicht vernünftig miteinander sprechen, Srong?"
„Mit Ihnen unterhalte ich mich nicht. Sie werden noch heute..."
„Was werde ich heute?"
Srong wandte den Kopf ab und öffnete den Mund.
„Wenn Sie nur ein Wort zu den Sherpas sagen, breche ich Ihnen den Arm, Srong!"
„Sie drohen mir?" kreischte Srong mit überschnappender Stimme. „Das werden Sie bereuen, Sie blasphemischer Heuchler. Ich werde..."
„Sie wollen mich töten?"
„Ja, das will ich", brüllte Srong. „Ich hasse Sie. Sie haben meinen Glauben beleidigt. Dafür müssen Sie sterben."
Dorian lächelte.
„Jetzt spielen wir endlich mit offenen Karten", sagte er zufrieden. „Ich weiß immer gern, wer mein Gegner ist. Die Anschläge in Katmandu und Pheriche gehen wohl auch auf Ihr Konto, Srong, was? Sie wollten nicht, daß ich das Basislager erreiche. Aber Ihr Plan ging nicht auf. Wer soll jetzt mein Mörder sein? Einer Ihrer Sherpas? Oder Pemba? Reden Sie!"
Srong schwieg verbissen.
„Kommen Sie mit ins Messezelt, Srong!" sagte Dorian. „Es dürfte auch die anderen interessieren, daß Sie mich töten wollen."
„Ich denke nicht daran, Ihnen zu folgen", knurrt Srong.
Dorian riß den kleinen Mann an sich, hob ihn blitzschnell hoch und sprang auf das Messezelt zu. Die Sherpas heulten wütend auf, doch bevor sie reagieren konnten, hatte Dorian schon das Zelt betreten und Srong hineingestoßen.
„Was soll das?" fragte Yameshi überrascht.
„Srong hat mir eben mitgeteilt, daß er mich töten will, da ich seinen Glauben beleidigt hätte. Er ist ein religiöser Fanatiker."
„Sind Sie völlig übergeschnappt, Srong?" fragte Jeff und stand auf. „Was hat Ihnen Dorian getan?" „Seine Anwesenheit allein beleidigt mich", stellte Srong fest.
„So nehmen Sie doch Vernunft an, Mann!" schrie Jeff. „Sie gefährden doch unsere ganze Expedition. Wie können wir in Ruhe auf Yetisuche gehen, wenn Sie Dorian nach dem Leben trachten?" „Srong hat nicht damit gerechnet, daß ich lebend das Basislager erreiche", sagte Dorian. „Sein Anschlag in Katmandu ging gründlich daneben. Dann beauftragte er zusätzlich noch einen Priester, der ebenfalls keinen Erfolg hatte. Und ich bin sicher, daß Pemba auch einen Mordanschlag auf mich verübt hätte, wäre das mit dem Yeti nicht geschehen."
„Was haben Sie dazu zu sagen, Srong?" fragte Jeff.
Srong antwortete nicht. Er blickte Jeff und Dorian haßerfüllt an.
„Unter diesen Umständen ist eine Zusammenarbeit wohl nicht mehr möglich", stelle Jeff fest. „Ich glaube, es wird
Weitere Kostenlose Bücher