061 - In der Gewalt der Schneemenschen
tief. Lassen Sie mich jetzt, bitte, allein!"
„Der Mann trug das Gewand eines Priesters", sagte Dorian, als sie das Lazarettzelt verließen. „Frag mal einen Sherpa, wer der Mann ist!"
Jeff wandte sich an einen Sherpa, der wild mit den Händen in der Luft herumfuchtelte.
„Der Verletzte ist ein Wandermönch namens Pemba", sagte Jeff. „Er kam vor drei Tagen ins Lager, und Khapa Srong gestattete ihm, daß er bleibt."
„Schon wieder ein Priester", sagte Coco.
Dorian runzelte die Stirn. „Mir will das Auftauchen des Yeti gar nicht gefallen. Das riecht mir alles zu sehr nach einer Falle."
„Wie meinst du das?" fragte Jeff.
„Soweit mir bekannt ist, erschien noch nie ein Yeti in einem Lager, raubte einen Mann und flüchtete mit ihm. Das stimmt doch?“
Jeff schüttelte den Kopf. „Nein, das stimmt nicht. Ich hörte Berichte, daß es schon früher vorgekommen sein soll, daß Schneemenschen Überfälle auf Lager verübten und dabei auch Menschen raubten. Das sind allerdings nur Gerüchte."
„Sie kommen zurück", sagte Coco. Yameshi und die anderen betraten das Lager.
„Der Yeti ist uns entwischt", sagte Yameshi wütend. „Ich folgte den Blutspuren. Vor einer Felswand hörten sie aber plötzlich auf. Wir haben jetzt jedoch den Beweis, daß die Schneemenschen tatsächlich existieren. Mehr als zwanzig Zeugen haben den Yeti gesehen. Und die Fotos werden ein Beweis sein, den niemand mehr aus der Welt schaffen kann."
Die beiden Fotografen hatten sich in ihr Zelt zurückgezogen und entwickelten die Fotos, die sie geschossen hatten.
Dorian rieb sich das Kinn. Er wußte, daß sie sich auf einer heißen Spur befanden. Das spurlose Verschwinden des Yeti war ein Beweis dafür. Er war sicher, daß die Felswände voller geheimer Zugänge in das geheimnisvolle Tal waren und daß diese Zugänge gesichert wurden. Aber mit Cocos magischen Fähigkeiten mußte es ihnen gelingen, zumindest einen Zugang zu entdecken.
Jeff und Khapa Srong unterhielten sich miteinander. Sie kamen überein, daß Waffen ausgegeben und das Lager bewacht werden sollte. Es war nicht auszuschließen, daß ein weiterer Überfall aufs Lager stattfand.
Delphine Benne hatte den verletzten Wandermönch verarztet. Er schlief jetzt. Ob er mit dem Leben davonkommen würde, konnte sie noch immer nicht sagen. Eines der Sherpamädchen blieb bei Pemba.
Sie zogen sich alle ins große Messezelt zurück. Die Ethnologen warteten begierig auf die Fotos, da sie noch immer nicht den Tatsachen ins Auge blicken wollten. Für die beiden war der Yeti ein Phantasieprodukt gewesen, und man stößt eine langgefaßte Meinung nur sehr schwer um. Doch als Nils Dahlberg und Pablo Lozada grinsend im Zelt erschienen und die Fotos auf den Tisch knallten, trübten sich die Mienen der Ethnologen.
Die Fotos waren tadellos gelungen. Deutlich war der Schneemensch zu sehen. Auf zwei Fotos sah man den gewaltigen Kopf in Großaufnahme. Es war ein Affenschädel: Die Ohren waren klein, die Nüstern flach gedrückt, das Maul stand vor.
„Hier habt ihr den Beweis, ihr beiden Ungläubigen", dröhnte Nils Dahlbergs Stimme durch das Zelt. „Diese Fotos werden eine Sensation sein. Mich ärgert ja nur, daß wir keine Filmkamera bei uns gehabt hatten. Aber die Fotos sind auch nicht zu verachten. Es ist nur verdammt schade, daß wir den Burschen nicht erwischen konnten."
Die Ethnologen studierten mißmutig die Fotos.„ Sieht eher wie ein Australopithecus Boisei aus", sagte Sam Holden.
Averell Sharp schnaubte verächtlich. „Mach dich doch nicht lächerlich! Der Boisei ist vor einer Million Jahren ausgestorben. Außerdem wird bezweifelt, daß er aufrecht gehen konnte."
Holden streckte sein Kinn angriffslustig vor. „Das beweist überhaupt nichts."
„Ich glaube, daß es sich um mutierte Affen handelt", stellte Sharp fest.
„Blödsinn!" grunzte Holden. „Diese ganze Diskussion ist sinnlos. Es steht nur eines fest: Wir haben es mit einem Primaten zu tun. Wir müssen einen Yeti lebend oder tot in die Finger bekommen, dann können wir mehr sagen."
Sharp stimmte widerstrebend zu. Immer wieder studierte er die beiden Fotos. Und dann schlug ihre Stimmung plötzlich um. Jetzt waren sie begeistert. Sie brannten darauf, mehr über den Yeti zu erfahren. Die meisten der Anwesenden verstanden nur teilweise die Unterhaltung zwischen Holden und Sharp, die nur so mit Fachausdrücken um sich schmissen.
Nach dem Abendessen wurde beraten, wie es am nächsten Tag weitergehen sollte. Sie kamen
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