061 - Medusas steinerne Mörder
diese männlichen Schutz nicht nötig hatte. X-GIRL-C
setzte mit gekonntem Schwung über das Gatter und lief quer über den holprigen
Boden, zu dem reglosen Hund. Die Agentin ging neben dem Tier in die Hocke, noch
ehe ihr Begleiter aufgeschlossen hatte. Der Hundekörper war noch warm. Aus der
Stellung seines Kopfes erkannte sie, daß dem Tier das Genick gebrochen worden
war.
Morna
Ulbrandson richtete sich auf. Sie blickte in den dunklen Raum jenseits des
offenstehenden Fensters. Der Verschluß war gewaltsam geöffnet worden. Hier war
jemand eingestiegen, nachdem er den Hund getötet hatte, der die Ankunft nicht
mehr melden konnte. Gefühlsroh war der Mörder vorgegangen. Er hatte ins Haus
gewollt, und hatte es geschafft. Instinktiv fühlte Morna Ulbrandson, daß der
oder das Unheimliche sich noch im Haus aufhielt und alle, die sich darin
befanden, entweder keine Gelegenheit hatten, auf ihre mißliche Lage aufmerksam
zu machen, oder ebenfalls tot waren, auf die gleiche Weise umgebracht wie der
Hund…
●
Der
junge Mann aus dem Dorf zeigte Unruhe. Morna Ulbrandson, deren Sinne zum
Zerreißen gespannt waren, sah ihn ernst an. »Sie sind mir gefolgt, weil Sie mir
einen Gefallen tun wollten, nicht wahr?« Der Mann aus dem Dorf nickte. »Um den
möchte ich Sie jetzt recht herzlich bitten. Bleiben Sie hier am Fenster und
achten Sie auf die Umgebung… Ich seh mich mal im Haus um. Da stimmt etwas
nicht.« Sie wartete jetzt gar keine Erwiderung ab. Behend, wie vorhin beim
Zaun, stieg sie flink über die Fensterbank. Die Tür, die aus dem dunklen Zimmer
führte, war nur angelehnt. Morna Ulbrandson alias X-GIRL-C wandte noch mal den
Kopf und blickte aus dem Fenster, vor dem der Mann stand. »Wenn Sie merken
sollten, daß etwas im Haus vorgeht, laufen Sie ins Dorf zurück und alarmieren
die anderen.« Er nickte und sah in der Dunkelheit nicht, wie sie den Rock hob
und aus der flachen Halfter am linken Oberschenkel den handlichen,
unauffälligen Smith & Wesson Laser nahm. Nicht immer trug sie die Waffe auf
diese Art, oft legte sie sie auch in ihre Handtasche, wo sie ebenfalls stets
griffbereit war. Auf Zehenspitzen durchquerte die Schwedin den dunklen, einfach
eingerichteten Raum und hielt ihren Blick auf den Türspalt gerichtet, durch den
schwacher Lichtschein fiel. Die Stille im Haus gab ihr zu denken. Nicht das
geringste Geräusch vernahm sie. Dabei wies das brennende Licht darauf hin, daß
sich jemand in dem Gebäude aufhalten mußte… Vorsichtig spähte die PSA-Agentin
durch den Spalt. Hinter der Tür lag ein langer, handtuchschmaler Korridor. An
den Wänden hingen Heiligenbilder, ein hoher schmaler Spiegel und getrocknete
Blumen. In einem einfach gezimmerten Holzregal standen einige Keramik-Krüge und buntbemalte Figuren. Am Ende des Ganges
sah Morna einen Moment einen flüchtigen Schatten, der den fadenscheinigen
Teppich streifte und hinter der offenstehenden Tür in einem anderen Raum
verschwand. Dort verschmolz er mit der Dunkelheit. Morna Ulbrandson beeilte
sich, ohne ihre Vorsicht außer acht zu lassen. Sie erweiterte den Spalt und
konnte nicht verhindern, daß die Tür in den Scharnieren leise quietschte.
X-GIRL-C hielt den Atem an, als sie sich durch den Spalt zwängte, und starrte
angespannt nach vorn, ob sich in dem gegenüberliegenden Raum etwas tat. Kein
Geräusch, kein Schatten… Also weiter…
Sie
hielt den entsicherten Smith & Wesson Laser so, daß sie ihn sofort
einsetzen konnte, wenn die Situation dies erforderte. Der Korridor mündete in
ein kleines Wohnzimmer, in dem die notwendigsten Möbelstücke standen. Von dort
kam das Licht nicht. Es brannte in der Küche, deren Tür ebenfalls weit offen
stand, in der sich jedoch niemand aufhielt. Gleich hinter der Schwelle zum
Wohnzimmer lag die Leiche… Ein älterer Mann! Er war der Besitzer des Hofes und,
wie der Hund draußen, auf die gleiche grausame Weise umgebracht worden. Sein
Genick war gebrochen, der Brustkorb eingedrückt. Morna Ulbrandson sprang über
den Toten hinweg, scheinbar alle Vorsicht außer acht lassend. Sie riß die Tür
nach innen, in der Erwartung, daß sich der unheimliche Mörder vielleicht noch
dahinter verberge. Das war jedoch nicht der Fall. Die Schwedin schaltete das
Licht ein und lief von einem Zimmer ins andere. Eine Etage höher wurde sie
fündig. Gleich zweimal…
Unterhalb
des Treppenabsatzes auf halbem Weg nach oben lag die Bäuerin, ebenfalls mit
eigenartig verrenkten Gliedern. Auch sie war tot. Und eine halbe
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