0612 - Eine Nacht im Hexenschloß
sollen wir mit ihm?«
»Das meine ich auch.«
Ich trat wieder zurück, wobei ich fröstelte. Plötzlich hatte mich eine Beklemmung überkommen, mit der ich nicht hatte rechnen können. Die Gegend kam mir nicht mehr romantisch vor, sie besaß jetzt einen Touch des Unheimlichen.
»Kommst du dir auch vor wie beobachtet?« fragte Jane.
»Sicher.«
»Wer hat ihn getötet? Die Hexe?«
»Dann müßte sie auch die Kraft besitzen, einen pilotenlosen Hubschrauber zu lenken.«
»Vorstellbar ist alles.«
Ich holte tief Luft. »Ja, wenn wir die Person finden, die hier die Regie übernommen hat.«
»Nicht hier draußen. Laß uns ins Schloß gehen.«
Janes Vorschlag war gut, auch wenn ich mit dem Gedanken gespielt hatte, mich noch außerhalb umzuschauen, was Jane wohl merkte, denn sie meinte: »Wir könnten uns auch trennen. Du siehst dich hier um, ich werde mal das Schloß in Augenschein nehmen.«
»Zu gefährlich.«
Jane winkte ab. »Ich bin kein kleines Kind mehr, John, und außerdem bewaffnet.«
Das stimmte. Jane hatte schon einige haarige Abenteuer überstanden. Mit diesem Wissen stimmte ich zu.
Sie lächelte schmal. »Wenn etwas ist, werde ich schießen oder nach dir rufen.«
Ich schaute ihr mit einem unguten Gefühl nach. Auf der Steinbrücke stehend winkte sie noch, dann hatte sie der Innenhof des Schlosses verschluckt, und ich blieb allein zurück.
Mich interessierte der Wassergraben. Meiner Ansicht nach mußte er eine bestimmte Bedeutung haben, nur war nichts zu sehen. Bevor der Nebel alles zudeckte, wollte ich seine unmittelbare Umgebung und auch ihn selbst absuchen.
Ich wandte mich nach links. Der Wassergraben war rund gebaut.
Er umgab das Bauwerk wie einen schützenden Kreis. Auch hier war es nicht anders. Einen Blick in die Tiefe oder gar bis zum Grund ließ der Wassergraben nicht zu, denn das Wasser war wegen der großen Algeninseln zu dunkel.
Eine Leiche hatte ich entdeckt und suchte automatisch nach einem zweiten Toten.
Da war nichts zu sehen. Das Wasser blieb still und behielt seine Geheimnisse für sich.
Die Bepflanzung änderte sich. Büsche wuchsen bis dicht an den Graben heran. Auch die innen liegende Böschung fiel nicht mehr so steil ab, sie war flacher geworden, man konnte auf ihr stehen. Manche Büsche ragten mit ihren Zweigen über das Wasser hinaus und bildeten ein schützendes Dach.
Aus einem ragte etwas hervor. Erst glaubte ich, mich getäuscht zu haben, dann sah ich tatsächlich den Bug eines Ruderbootes. Der kleine Kahn lag dort wie geschaffen für mich.
Ich stemmte mich schräg gegen die Böschung, bückte mich noch und peilte unter die natürliche Deckung.
Das Boot war sogar vertäut worden, zwei Ruder lagen in seinem Innern, und ich rutschte noch ein kleines Stück über die Schräge, bevor ich es enterte.
Das Schaukeln glich ich rasch aus, nicht zum erstenmal stand ich in einem schwankenden Ruderkahn. Auf der Sitzbank fand ich meinen Platz. Überhaupt hatte das Boot zu lange draußen gelegen, so daß die Witterung an ihm nagen konnte. Von den Rudern war die Farbe abgeblättert. Ich löste das Tau von sperrigen Zweigen und stieß mich ab.
Sehr langsam trieb das Boot der Mitte des Wassergrabens zu und auch hinein in den Dunst, der sich wie nasse Tücher auf mein Gesicht legte.
Von Jane hörte ich nichts mehr. Ich war völlig allein mit der Stille, die nur vom Plätschern der Ruderblätter unterbrochen wurde, wenn ich sie eintauchte.
Ich ruderte auf die kleine Brücke zu, wo auch die Leiche treiben mußte.
Sie aber war verschwunden!
Als ich die Stelle erreicht hatte, wo ich sie eigentlich hätte entdecken müssen, hielt ich das Boot an, schaute mich um, stocherte dabei mit den Rudern im Wasser umher, fand keinen Grund und auch keinen Widerstand, der über ihm schwamm.
Nichts…
Ich saugte die Luft scharf durch die Nase ein. Allmählich verdichtete sich das ungute Gefühl. Irgendwo schien ein Unbekannter oder eine Unbekannte zu lauern, die mir den Streich gespielt und die Leiche hatte verschwinden lassen.
Ich glitt unter der Brücke hinweg, wo das alte Mauerwerk faulig roch und mir Tropfen auf das Gesicht fielen, wenn ich den Kopf in den Nacken legte. Bei jedem Eintauchen der Ruder schaute ich mich um und auch an der Schloßwand hoch, ob sich dort etwas tat.
Nichts – nur der dünne Dunst war dort zu sehen, wie er an der Wand hochkletterte.
Der Graben behielt seine Breite bei. Was sich änderte, war die Vegetation am Ufer.
Manchmal wuchs dort nur hohes Gras, dann
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