0616 - Die Andro-Pest
Aufmerksamkeit wurde wieder auf die Anzeigetafel der Herz-Lungen-Maschine gerichtet; als eine gelbliche Tafel darin aufleuchtete.
„Herztätigkeit unregelmäßig", stand in roter Schrift in dem Feld.
Als der Solarmarschall aufsah, ruhte Yüans Blick auf seinem Gesicht.
„Die Herztätigkeit ist unregelmäßig", meldete Tifflor.
Bereiten Sie den Anschluß vor!" befahl der Arzt, dann beugte er sich wieder über sein OP-Schaltpult.
Zögernd, beinahe zaghaft, nahm Julian Tifflor die Vorbereitungsschaltungen für den Anschluß Tanakas an die Herz-Lungen-Maschine vor. Er hatte eigentlich nicht viel mehr zu tun als auf die richtigen Tasten zu drücken und zwar im richtigen Augenblick. Dennoch brach ihm am ganzen Körper der Schweiß aus, als er sah, wie sich auf Grund seiner Schaltungen ein Satz Vibrationsmesser und der Bündelungskopf einer Ultraschallsäge über die Brust des Patienten senkten, Eindurchdringender Pfeifton und die flammende Schrift „Kammerflimmern Lebensgefahr!" veranlaßten ihn, schneller zu arbeiten. Messer und Säge setzten sich in Bewegung, automatische Klemmen packten die Blutgefäße, aus denen nur wenig rote Flüssigkeit sickerte. Die Rippen wurden durchtrennt, ein Loch im Brustraum geschaffen, und der Anschluß - Kombinationskopf senkte sich in die dunkle Öffnung.
Auf Tifflors Anzeigen flammten rote Lampen auf.
„Herz hat ausgesetzt!" teilte eine unmodulierte Automatenstimme mit.
„Anschließen!" befahl Dr. Yüan Tsung. Er hatte leise gesprochen, aber mit einer Dringlichkeit, die Tifflor reflexartig gehorchen ließ.
Er schaltete die Apparatur ein.
Als Tifflor sah, daß die Herz-Lungen-Maschine einwandfrei arbeitete, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Patienten, dessen Herz tot und reglos zwischen den bläulich glänzenden Lungenflügeln zu sehen war.
Dr. Yüan arbeitete schnell und sicher. Es war, als säße er völlig unbeteiligt vor einem Operations - Simulator. Doch das dichte Netz feiner Schweißperlen, das seine Stirn bedeckte, strafte diesen Eindruck Lügen. Er mußte sein ganzes Können aufbieten und konnte doch nicht wissen, ob für den Patienten überhaupt noch Rettung möglich war.
Der Solarmarschall zuckte zusammen, als die ersten Gebilde in die blanke Silberschale neben dem Kopfende des Operationstisches fielen. Dr. Yüan Tsung setzte alle zur Verfügung stehenden Mittel ein. In einer auf Gehirnoperationen spezialisierten Klinik wäre die Operation wahrscheinlich längst erfolgreich abgeschlossen gewesen. Hier jedoch standen nicht die Batterien vollautomatischer Apparate zur Verfügung, die dort das Risiko für den Patienten auf ein Minimum gesenkt haben würden.
Endlich wurde das fünfte und letzte Bakto-Gebilde von einem Greifer aus dem Gehirn geholt und über der Silberschale fallen gelassen. Danach steuerte der Doktor mehrere filigranartige Instrumente mit weichen Arbeitsköpfen, um die durch die Druckbelastung geschwollene Gehirnmasse in den Schädel zurückzudrängen. Doch immer wieder quoll sie heraus.
Schließlich erhöhte Yüan Tsung den Druck unter der Troplonkuppel. Allmählich wich die Gehirnmasse hinter die Wundränder zurück. Die Schädeldecke wurde wieder geschlossen und mit gekrümmten Nadeln von gehärtetem Bioplast geklammert. Eine Düse sprühte Heilplasma über die Nahtstelle.
Aber noch war der Patient nicht gerettet. Das Herz regte sich nicht. Dr. Yüan steuerte einen Injektionskopf zum Herzmuskel und schoß eine Dosis Adrenalin hinein. Das dunkle Muskelbündel bewegte sich schwach; es zitterte.
Auf Tifflors Anzeigetafel wurde erneut Kammerflimmern angezeigt. Ohne daß Yüan Tsung es ihm befohlen hätte, drückte der Solarmarschall die Taste für Elektroschock. Unter der transparenten Kuppel senkten sich zwei Platinelektroden auf den zitternden Herzmuskel. Das Herz zuckte heftig, begann unregelmäßig zu arbeiten und ging kurz darauf zum normalem Schlagrhythmus über.
Julian Tifflor erkannte, daß das Leben des Patienten vorerst gerettet war. Diese Erkenntnis ließ seine Energie erlahmen.
Er stand auf, taumelte und wäre umgefallen, wenn Dr. Yüan ihn nicht gehalten hätte.
Der Neurochirurg faßte Tifflors Oberarme mit festem Griff und schob ihn ein Stück von sich, so daß er ihm ins Gesicht sah.
„Sie haben Ihre Sache großartig gemacht, Tifflor", sagte er lächelnd. „Schade, daß Sie nicht den Beruf eines Chirurgen gewählt haben."
Der Solarmarschall lächelte matt zurück.
„Und Sie hätten zweifellos einen
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