0617 - Das Blut der Mumie
will dir nicht zu nahe treten, aber hier gefällt mir etwas nicht.«
»Was… was denn?«
»Nicht deine Möbel. Es ist etwas anderes. Der Geruch, Ann, verstehst du mich?«
»Nein.«
»Jeder muß hier jedem trauen können.«
»Das weiß ich, Ibrahim. Du hast mir doch immer vertraut. Ich habe dich nicht enttäuscht.«
»Stimmt.«
»Was beunruhigt dich dann?«
Er bewegte sich etwas zur Seite, um dann seinen Arm auszustrecken. Dabei deutete er auf die Katze. »Sie ist es, die mich beunruhigt. Nur sie allein.«
»Die Katze?« Ann wollte lachen, das gelang ihr nicht. Sie stellte auch keine Fragen mehr, denn sie bekam mit, wie sich die Katze bewegte und mit gleitenden Schritten die Schulter der Mumie verließ.
Ohne die Binden aufzureißen, bewegte sie sich an der rechten Brustseite entlang und sprang zu Boden.
Für einen Moment verharrte sie vor der Mumie. Dann streckte sie ihren Körper und ging mit weich und geschmeidig wirkenden Bewegungen auf Ann Tobey zu.
Ann gehörte zu den Frauen, die sich vor Katzen nie gefürchtet hatten. Im Gegenteil, sie mochte die Tiere, weil sie Individualisten waren und nicht so sklavisch gehorchten.
Als dieser kleine »Panther« jedoch auf sie zuschritt, da spürte sie die Furcht.
Die Katze hatte den Kopf etwas erhoben. Aus den gelben Augen schaute sie das Tier kalt und grausam an.
Die Frau mußte einige Male schlucken, bevor sie eine Frage stellen konnte. »Was soll das, Ibrahim?«
»Ich weiß es nicht. Das mußt du ihr überlassen. Möglicherweise will sie dich testen.«
»Wozu?«
»Warte es ab.«
»Nein, ich…« Ann verstummte, denn die Katze hatte sie nicht nur erreicht, sie preßte sich auch mit der linken Seite ihres Körpers gegen sie und strich an ihren Waden entlang, wobei sie einen leichten Druck ausübte.
Ann Tobey traute nicht, sich zu bewegen. Sie blieb so steif stehen, als wäre sie schockgefroren. Es sah zwar aus wie ein normales Berühren, aber es war keines, das spürte sie sehr deutlich, denn die Katze mußte ein besonderes Tier sein.
Sie strich nicht nur an Anns Beinen entlang, es gelang ihr sogar, so etwas wie einen Kontakt mit der Frau aufzunehmen und deren Gedanken zu beeinflussen oder in Unordnung zu bringen.
Fremde Ströme drangen in ihr Hirn. Ann kam sich vor, als wäre jemand dabei, sie rein geistig auszusaugen und ihr einen Teil des Wissens zu nehmen.
Plötzlich und so unerwartet, daß Ann sich erschreckte, sprang die Katze zurück, drehte sich ihr noch einmal zu, öffnete weit ihr Maul und ließ ein Fauchen hören, das Ann erschreckte.
Für sie war es wie eine Warnung, ein gefährliches Wort. Ob sie es nun zugeben wollte oder nicht, aber sie fühlte sich irgendwo ertappt und blieb noch immer mit durchgedrücktem Rücken stehen, ohne sich auch nur um einen Millimeter von der Stelle zu bewegen.
Die Katze schlich wieder zurück. Auf dem Teppich war das Aufsetzen ihrer Pfoten so gut wie nicht zu hören. Die Mumie war ihr Ziel. Dicht vor der Gestalt blieb sie stehen und schnellte in die Höhe.
Selbst Ann staunte, welch eine Kraft in dem Körper steckte. Aus dem Stand sprang sie auf die Schulter der Mumie, wo sie ihren alten Platz wieder einnahm.
Da blieb sie, aber sie bewegte ihren Kopf an der freien Seite des Gesichts entlang, als wollte sie der unheimlichen Blutgestalt etwas zuflüstern.
Herodot bewegte sich nicht. Nur in seiner roten Blutpupille tat sich etwas. Ann glaubte sogar, sie zucken zu sehen, und plötzlich drehte sich die Mumie mit einer steifen Bewegung um, genau auf Ibrahim Sale zu. Sie schob einen Arm vor und preßte die Finger der nicht blutenden Hand gegen seine Wange.
Sale rührte sich nicht. Er wartete ab, bis die Mumie ihr Gesicht in die Nähe seines Ohrs gebracht hatte, wobei aus ihrem Maul zischende, aber von der Tonlage her unterschiedliche Geräusche drangen.
Ibrahim schien mit ihnen etwas anfangen zu können. Wie sonst sollte Ann sein Nicken wohl deuten.
Dieser ungewöhnliche Mann redete mit der Mumie. »Ja, es ist gut«, flüsterte er, »ich danke dir sehr.«
Die Mumie trat zurück. Sie ließ Ann dabei nicht aus den Augen.
Besonders das rote Auge war nur auf sie gerichtet, als wollte sie die Seele der Frau einbrennen.
Obwohl Sale sich äußerlich nicht verändert hatte, spürte die Frau, daß es zwischen ihm und der Mumie zu einer für sie gefährlichen Kommunikation gekommen war. Sie kannte den Mann lange genug, um auch seinen Blick deuten zu können. Gutes verhieß er nicht.
Ibrahim hatte die Augen leicht
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