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0617 - Zeit der Ungeheuer

0617 - Zeit der Ungeheuer

Titel: 0617 - Zeit der Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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waren!
    Unglaublich präzise schilderte Bran das Geschehen, als wäre er selbst dabeigewesen. Zamorra konnte nur staunen. Es war fast unvorstellbar, daß Bran eben diese Geschichte, die sich heute abgespielt hatte, so detailliert schon Tage vorher erzählt hatte!
    »Wie ist so etwas möglich?« flüsterte Nicole. »Für mich klingt es gerade so, als würde unser Handeln durch diese Geschichte bestimmt. Als wäre Bran ein Puppenspieler, an dessen Fäden wir wie Marionetten hängen. Ob er auch noch andere Geschichten kennt, in denen wir eine Rolle spielen?«
    »Fragen wir ihn einfach?« gab Zamorra ebenso leise zurück. »Aber nicht gerade jetzt. Vielleicht später, wenn es ruhiger geworden ist.«
    Das Feuer brannte allmählich nieder; die Stimmung wurde gelöster. Da die ›Götter‹ sich benahmen wie ganz normale Menschen, gaben die Aska ihre verehrende Zurückhaltung mehr und mehr auf. Da mochte allerdings auch der Alkohol eine Rolle spielen. Jemand holte ein dreieckiges Holzgestell hervor, über das Tierhaut gespannt war, der man das Fell abgeschabt und abgebrannt, hatte. Die Kunst des Gerbens schien in dieser Kultur noch nicht bekannt zu sein. Aber es reichte auch so; die Trommel war primitiv, aber nicht eben leise. Ein anderer hatte sich aus einem ausgehöhlten Zweig eine Flöte gebastelt, mit immerhin drei Luftlöchern, so daß er drei verschiedene Töne produzieren konnte. Mit diesen beiden primitiven Instrumenten wurde nun ein wenig Musik gemacht; den Rest besorgten die Aska mit ihrem Gesang.
    »Hoffentlich laden sie uns nicht ein, bei einem Ritualtanz mitzumachen«, raunte Nicole. »Wir Götter würden uns unsterblich blamieren, fürchte ich… Götter müssen ja schließlich die Rituale ihrer Anbeter kennen, oder?«
    »Da ich kein Gott bin, weiß ich das nicht«, erwiderte Zamorra.
    Mit der Zeit wurde es ruhiger. Ein Aska nach dem anderen verschwand in den primitiven Hütten. Hier und da erklangen Schnarchtöne. Na klasse, dachte Zamorra. Wünsche einen geruhsamen Schlaf…
    Teron setzte sich zu ihm und Nicole. »Auch Götter müssen ruhen«, sagte er. »Wenn ihr wollt, könnt ihr das in meiner Hütte tun. Dort ist genug Platz, und ich gehe gern hinaus und schlafe woanders.«
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte Zamorra. »Wir sind mit wenigem zufrieden. Vielleicht nimmt uns aber auch Bran bei sich auf und erzählt uns noch eine weitere Geschichte?«
    Bran winkte ab. »Ich bin müde. Ich werde erst wieder Geschichten erzählen, wenn Bruder Sonne uns zulacht.«
    Er nahm einen tiefen Schluck von dem vergorenen Saft. Er hatte eine Menge getrunken in den letzten Stunden, aber man merkte ihm den Alkohol nicht an. Seine Stimme war klar, und er bewegte sich zielsicher. Er schien recht gut im Training zu sein.
    »Yla und Retor waren in der Steinwüste auf Jagd, als sie überfallen wurden und wir hinzukamen«, sagte Nicole. »Das ist seltsam. Warum jagten sie ausgerechnet dort? Ich habe weder Pflanzen noch Tiere gesehen. Was gibt es dort an jagdbarem Wild?«
    »Der Weg hätte sie weitergeführt«, erklärte der Älteste ruhig. »Jenseits der Sandstürme und Felsen gibt es reichhaltige Weidegründe. Man kann sie an einem Tag erreichen, bejagen und mit der Beute wieder heimkehren. Die Tiere dort schmecken besonders gut. Es lohnt sich, die Strapazen und Gefahren des langen Weges auf sich zu nehmen.«
    »Was sind das für Tiere?« wollte Nicole wissen.
    »Ganz normale Viecher«, mischte sich Bran ein. »Ich werde nie verstehen, warum jemand so weit geht, um sie zu jagen. Oft sind sie nämlich auch gar nicht da.«
    »Du Bran, könntest vielleicht einmal eine Geschichte erzählen, in der diese Tiere garantiert auf die Jäger warten«, schlug Teron etwas lauernd vor.
    Aber Bran winkte ab. »Du überschätzt mein Können, Ältester. Du glaubst doch nicht wirklich daran, daß ich mit meinen Geschichten die Tiere beschwören könnte, dazusein, wenn die Jäger kommen? Ich hätte dich für klüger gehalten.«
    »Aber die Geschichte, in der zwei Menschen aus der Zeit nach euch hierher kamen, ist wahr geworden«, sagte Zamorra. »Oder sind wir etwa nicht hier?«
    »Ihr seid hier. Aber ihr wäret sicher auch hier, wenn ich die Geschichte nicht erzählt hätte.« Bran erhob sich. Jetzt schwankte er doch leicht, als er sich umwandte, um das Feuer zu verlassen. Außer ihm und Teron war inzwischen nur noch ein weiterer Aska anwesend; der Feuerhüter, wie er erklärt hatte. Ihm oblag es in dieser Nacht, dafür zu sorgen, daß die

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