0619 - Killer-Blasen
schwebte wie ein finsteres Omen immer näher.
Golenkow zerrte an der Klinke und fluchte. »Verdammt noch mal, es ist abgeschlossen!«
»Von der Tür weg!«
Als Golenkow zur Seite gesprungen war, nahm Suko einen kurzen Anlauf. Dann warf er sich mit seinem ganzen Gewicht und der rechten Schulter zuerst gegen die Holztür, spürte den harten, aber auch federnden Aufprall und hörte auch die splitternden Geräusche als das Holz brach.
Wladimir trat noch nach. Mit gemeinsamen Kräften schafften sie es, die Tür aus den Angeln zu brechen und den Weg in die Freiheit für sich freizuschaufeln.
Die Wagen fuhren. Vor und unter ihnen huschte die Straße als eisgraue Fläche vorbei.
Dann sprangen sie.
Hart und gleichzeitig stießen sich beide ab. Sie flogen fast wie Vögel der Fahrbahn entgegen, mit ausgebreiteten Armen und gespreizten Beinen, weil sie den Aufprall so weich wie möglich gestalten wollten.
Das Eis war knochenhart, Schnee lag kaum, er wehte nur mehr als dünne Schicht und vom Wind getrieben über die Fahrbahn hinweg.
Beide schrien auf, überschlugen sich, rutschten weiter, erreichten fast den Rand, wo das Eis besonders dick lag und dafür sorgte, daß sie sich auf der Stelle drehten.
Rücklings liegend kamen sie zur Ruhe, konnten dorthin schauen, wo sich der Wagen des Direktors befand und sahen ihn in der offenen Tür stehen. Er hatte die Blase verlassen und hielt einen langen, dunklen Gegenstand mit beiden Händen, der wie ein Gewehr aussah.
Es war auch eines.
Belzik schoß!
Er hämmerte das Blei aus dem Lauf, veränderte den Schußwinkel, weil die Schlange weiterfuhr, und lag mit seinen verdammten Schüssen ziemlich günstig, denn beiden Männern pfiffen die Kugeln um die Ohren oder schlugen neben ihnen in die harte Eisschicht ein, wobei sie auf dem gefrorenen helle Kratzer hinterließen.
Suko und der Mann vom KGB überrollten sich. Sie mußten Deckung finden, und Wladimir schrie plötzlich auf.
Suko ruckte für einen Moment hoch. Er sah nicht nur das verzerrte Gesicht seines Partners, sondern konnte auch einen Blick auf den zweitletzten Wagen erhaschen, der mit Material beladen war.
Dort zeichnete sich die Gestalt seines Freundes John Sinclair überdeutlich ab.
Suko schrie Johns Namen. Der Rest ging in einer weiteren Gewehrsalve unter, wobei Suko plötzlich einen Schlag gegen den Kopf bekam, der ihn halb ohnmächtig werden ließ.
Er merkte nicht einmal, daß er sich selbst Schwung gab und dann in den schmalen Straßengraben rutschte, wo unter seinem Gesicht das dünne Eis brach.
Suko gehörte zu den Menschen, die nicht so rasch aufgaben. Er wollte sich hochstemmen und merkte, daß er es nicht schaffen konnte. Der Treffer gegen den Kopf hatte ihn einfach zu groggy gemacht.
Er befand sich in einem Zustand, wo er kaum etwas mitbekam, sehr wohl das Stöhnen in seiner unmittelbaren Nähe hörte.
Mit dem Gesicht zur Seite lag er und spürte das kalte Eis, das unter ihm zu schmelzen anfing. Seine freie Hand führte er hoch zum Kopf, wo es ihn erwischt hatte.
Nachzuschauen brauchte er nicht. Das Klebrige an seinen Fingern war Blut.
Während das Stöhnen blieb, verstummten die anderen Geräusche allmählich. Das Rutschen der Räder über den eisglatten Boden wurde leiser, und auch das Geräusch der stark arbeitenden Traktormotoren ebbte immer stärker ab.
Die Wagen fuhren weiter, sie aber lagen hier am Rand der Straße in einem eiskalten Graben, und nur ihr Freund John Sinclair befand sich noch bei den Zirkusleuten – zudem in einer tödlichen Gefahr.
Suko unternahm einen erneuten Anlauf. Er drückte die Hände gegen den kalten Untergrund und schaffte es tatsächlich, sich in die Höhe zu stemmen. Von seiner Perspektive aus konnte er über den Rand hinweg bis auf die Straße schauen, die leer vor ihm lag und wo der Wind nur mehr glitzernde Schneekristalle über den Boden fegte.
Er rutschte auf die Knie und blieb zunächst in der Lage. Die Schramme an der Stirn schmerzte. Er wußte nicht, ob sie von einer Kugel oder von einem abgeschleuderten Stück Eis stammte. Jedenfalls beeinträchtigte die Wunde ihn.
Das Stöhnen war leiser geworden. Hoffentlich bedeutet es nichts Schlimmes, dachte Suko, als er sich schwerfällig auf der Stelle herumdrehte.
Wladimir Golenkow lag auf dem Rücken. Das Gesicht mit Schnee und Eis bepudert. Seine dicke Jacke hielt er ebenso fest wie Suko die seine, aber an der linken Schulter entdeckte der Inspektor den roten Fleck. Dort war der Russe von einer Kugel erwischt
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