062 - John Flack
Inquisition in Vergessenheit geraten sind.«
Bevor Simpson noch antworten konnte, war Mr. Reeder zur Tür hinaus und flog die Treppe hinunter.
Es war eine Stunde nach dem Lunch. Mr. Daver saß an seinem Schreibtisch und drehte die Daumen, als die Tür ohne weiteres aufgerissen wurde und Mr. Reeder hereinkam. Daver erkannte den Detektiv nicht sofort, denn dieser hatte sich in einem Anfall wilden Humors seinen Backenbart abnehmen lassen und hatte dadurch eine erstaunliche Veränderung seiner äußeren Erscheinung bewirkt. Und mit dem Verschwinden dieser Zier war eine bemerkenswerte Wandlung des ganzen Mr. Reeder eingetreten. Verschwunden war sein nutzloser Kneifer, der eine ganze Generation von Verbrechern fasziniert hatte, verschwunden die sanfte Stimme, das schüchterne, scheue Wesen.
»Ich habe mit Ihnen zu reden, Daver!«
»Mr. Reeder!« stammelte der Mann mit dem Koboldgesicht und erblaßte.
Reeder schlug die Tür hinter sich zu, riß einen Stuhl heran und setzte sich dem Hotelbesitzer gegenüber.
»Wo ist Miss Belman?«
»Miss Belman?«
Erstaunen geigte sich in jeder Linie seines Gesichts.
»Großer Gott, Mr. Reeder, Sie wissen es doch . . .! Sie ist doch nach London gefahren, um Ihr Daktyloskop - ist das das Wort? - zu holen . . . Ich hatte die Absicht, Sie zu bitten, mir das Instrument zu zeigen . . .«
»Wo ist Miss Belman . . .? Heraus mit der Sprache, Daver, und ersparen Sie sich einen Haufen Verdruß.«
»Ich schwöre Ihnen, mein lieber Mr. Reeder . . .«
Reeder lehnte sich über den Tisch und klingelte.
»Wünschen Sie etwas?« stammelte der Hotelbesitzer.
»Ich möchte mit Mrs. Flack sprechen. Sie nennen sie Mrs. Burton, aber für mich ist Mrs. Flack gut genug.« Davers Gesicht war jetzt leichenblaß.
»Ich bin einer der wenigen Menschen, die wissen, daß John Flack verheiratet ist«, sagte Reeder, »einer der wenigen, die wissen, daß er eine Tochter hat! Die einzige Frage ist nur: Weiß John Flack ebensoviel wie ich?«
Er blickte finster auf den zusammengesunkenen Mann.
»Weiß John Flack, daß, während er in Broadmoor saß, dieser elende Kerl von Sekretär, dieser eklige Schmarotzer und Sklave beschloß, Flacks Spuren zu folgen, daß er seinen Einfluß, sein Wissen benutzte, die unglückliche Tochter des wahnsinnigen John Flack zu zwingen, ihn zu heiraten?«
»Um Gottes willen . . ., sprechen Sie nicht so laut!«
Aber Mr. Reeder fuhr fort:
»Bevor Flack ins Gefängnis ging, vertraute er seiner Tochter seine berüchtigte Enzyklopädie des Verbrechens an. Sie war die einzige Person, der er vertraute. Seine Frau war eine willenlose Sklavin, die er immer verachtet hatte. Ein Jahr, nachdem Flack ins Gefängnis kam, eignete sich Mr. Daver, sein Sekretär, die Bücher an. Dann organisierte er seine eigene kleine Bande in Flacks altem Hauptquartier, das in Ihrem Namen gekauft wurde. Seit dem Augenblick, wo Sie wußten, daß Flack einen Ausbruch plante - einen Ausbruch, bei dem Sie ihn zu unterstützen hatten -, lebten Sie in der ständigen Furcht, daß er entdecken würde, welch doppeltes Spiel Sie mit ihm getrieben haben . . . Sagen Sie, daß ich lüge, und ich schlage Ihnen Ihren elenden Schädel ein...! Wo ist Margaret Belman?«
»Ich weiß es nicht«, sagte der Mann mürrisch. »Flack ließ ein Auto auf sie warten . . ., mehr weiß ich auch nicht.«
Etwas in seinem Ton, etwas in dem flackernden, schiefen Blick seiner Augen brachte Reeder außer sich. Er streckte seinen langen Arm aus, packte den Mann beim Kragen und riß ihn wütend über den Tisch. Als ein Beweis seiner körperlichen Kräfte war das mehr als bemerkenswert, als eine Art Ankündigung des Entsetzlichen, was folgen sollte, hatte es eine sonderbare Wirkung auf Daver. Einen Augenblick lang lag er bewegungslos, dann riß er sich mit einer plötzlichen Drehung seines Halses los, stürzte aus dem Zimmer hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Ehe noch Reeder einen umgeworfenen Stuhl aus dem Wege gestoßen und die Tür geöffnet hatte, war Daver verschwunden.
Als Reeder die Halle erreichte, war sie leer. Er fand keinen der Dienstboten und erfuhr später, daß diesen am Morgen gekündigt worden war, daß man ihnen ein Monatsgehalt ausgezahlt und sie mit dem ersten Zug nach London geschickt hatte. Er lief aus dem Haupteingang auf den Rasenplatz, aber der Mann, den er suchte, war nicht mehr zu sehen. Auch im anderen Flügel des Hauses war alles Suchen vergebens. Einer der Detektive, die um das Haus herum aufgestellt waren
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