062 - John Flack
wenn sie dich vernachlässigt hätte . . . Und Daver? War er respektvoll gegen dich? Hat er dir Geld gegeben, soviel du wolltest?«
»Ja, Vater!«
Margaret glaubte zu hören, daß ihre Stimme stockte.
»Daver ist ein guter Untergebener. Ich werde ihn zum reichen Manne machen. Auswurf der Gosse - aber ergeben. Ich habe ihm befohlen, dein Wachhund zu sein . . ., bin zufrieden mit ihm . . . Habe nur noch eine kurze Zeitlang Geduld . . . Du sollst sehen, daß sich alle meine Träume verwirklichen.«
Die Stimme des Wahnsinnigen war sanft und durch Liebe und Stolz so verändert, daß der Sprecher ein ganz anderer Mann zu sein schien. Dann kam wieder ein anderer Klang in seine Stimme.
»Der Oberst kommt heute nacht zurück. Er ist ein Vertrauenswürdiger Mann . . ., auch Gregory. Sie sollen wie Minister bezahlt werden . . . Du mußt dich noch ein bißchen gedulden, Olga! Alle diese unangenehmen Sachen werden erledigt. Und Reeder auch! Morgen bei Hochwasser fahren wir . . .«
Der Klang der Stimme entfernte sich mehr und mehr, bis man nur noch ein undeutliches Murmeln vernahm. Brill drehte sich zu Margaret um und lächelte.
»Kann man den übertrumpfen?« fragte er voller Bewunderung. »Verrückt wie ein . . . ein Wasserhuhn. Aber er hat das schlaueste Gehirn in ganz London; sogar Reeder sagt das. Lieber Himmel! Ich würde zehn Jahre Gehalt und alle meine Aussichten auf Beförderung dafür geben, wenn ich jetzt ein Schießeisen hätte.«
»Was sollen wir nun anfangen?« fragte sie nach einer Weile.
»Hierbleiben, bis die Flut kommt, dann müssen wir unser Glück in der Höhle versuchen. Wir würden zerschmettert werden, wenn wir hier auf dem Strand bleiben wollten.«
»Gibt es denn keinen Weg über das Kliff hinauf?« Er schüttelte den Kopf.
»Es gibt einen Weg durch die Höhle; wir müssen ihn bloß finden«, sagte er. »Einen Weg . . .? Ein Dutzend!
Ich sage Ihnen, dieser Felsen ist durchlöchert wie eine Bienenwabe. Und über kurz oder lang bricht er zusammen wie der Schaum auf einem Glas Bier! Ich habe gehört, wie Daver das sagte, und der verrückte Kerl war auch seiner Meinung. Verrückt? Ich wünschte, ich hätte ein Gehirn wie er! Also Reeder will er erledigen! Die Kirchhöfe sind voll von Leuten, die versucht haben, Reeder zu erledigen!«
17
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Flut langsam und rauschend den Strand hinaufstieg. Die meiste Zeit befand sich Margaret allein in ihrem kleinen Versteck, da Brill von Zeit zu Zeit auf Erkundigung bis zum Eingang der Höhle ging. Sie würde ihn gern begleitet haben, aber er setzte ihr die Schwierigkeiten auseinander, auf die sie stoßen würde.
»Bis das Hochwasser da ist, ist es ziemlich dunkel, aber dann haben wir den Widerschein vom Wasser, und Sie können Ihren Weg ganz gut sehen.«
»Ist denn jemand in der Höhle?«
»Zwei Kerls arbeiten da an einem Boot herum. Jetzt liegt es noch hoch und trocken im Kanalbett, aber bei Hochwasser schwimmt es ganz leicht heraus.«
Die ersten Wasserwirbel spülten um ihre Füße, als er aus der Höhle kam und ihr zuwinkte.
»Gehen Sie ganz dicht am Felsen entlang«, flüsterte er, »und halten Sie sich an meinem Ärmel fest.«
Sie folgte ihm gehorsam; sie glitten links herum und gingen einen ziemlich ebenen Pfad entlang. Bevor sie in die Höhle eingedrungen waren, hatte er sie noch darauf aufmerksam gemacht, daß sie unter keinen Umständen sprechen, nicht einmal flüstern dürfe, ausgenommen durch die hohlen Hände und direkt in sein Ohr.
Die akustischen Eigenheiten der Höhle waren derartig, daß auch der leiseste Laut verstärkt wurde.
Ihr Weg führte sie eine lange Zeit nach links, und Margaret hatte die Empfindung, als ob sie durch einen Gang im Felsen schritten; erst später entdeckte sie, welch einen ungeheuren Umfang diese vom Wasser geschaffene Höhle hatte. Nach einer Weile streckte er seinen Arm nach hinten und berührte ihre rechte Hand: ein Zeichen, daß sie nach rechts abbiegen würden. Als sie noch am Strand warteten, hatte er einen oberflächlichen Plan in den Sand gezeichnet und ihr auseinandergesetzt, daß der Rand, auf dem sie jetzt entlanggingen, keine weiteren Hindernisse enthielt. Er drückte ihre Hand zum Zeichen, daß er stehenbleiben wollte, bückte sich und suchte auf dem Felsenboden nach seinen Schuhen. Der Weg führte sie höher und höher. Allmählich begann sie, etwas unterscheiden zu können, obwohl die Höhle noch im Dunkeln lag und sie nicht mehr als wenige Schritte weit sehen
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