0620 - Die Götzenhöhle
das kann man ruhig sagen, eine sehr entfernte Ähnlichkeit, ansonsten würde ich sagen, daß sie doch ziemlich fremd wirken.«
Wir fragten nicht mehr weiter und sahen zu, daß wir auch noch den Rest der Strecke schafften, der sich als nicht besonders schwierig herausstellte.
Das Gelände fiel längst nicht mehr so steil ab. Es war zudem mit sperrigem Gras bewachsen, Schnee lag auch kaum noch, und die Feuer nahmen an Größe zu.
Vergeblich hielt ich nach Hütten oder Wohnungen Ausschau.
»Sie leben in Höhlen«, erklärte Utak. »Ähnlich wie die Hopi-Indianer. Dort haben sie alles, was sie brauchen. Es gibt Verbindungsgänge von einer Höhle in die andere. Regelrechte Tunnels, die in mühseliger Arbeit ins Gestein geschlagen worden sind.« Utak streckte die Hand aus. »Ich will euch noch auf das größte Feuer aufmerksam machen, meiner Ansicht nach hat es sehr wohl eine Bedeutung. Ich rechne nämlich damit, daß gerade heute eine besondere Persönlichkeit beerdigt wird. Das kann der Dorfweise sein, der Anführer der Sippe, der Mann mit dem größten Wissen.«
»Da kämen wir ja gerade richtig«, flüsterte ich.
»Oder auch nicht«, gab Utak zu bedenken. »Ich weiß nicht, wie sie reagieren, wenn sie ihre heiligen Rituale gestört sehen. Wir müssen sehr behutsam sein.«
»Das versteht sich.«
Wir näherten uns dem endgültigen Ziel so leise und vorsichtig wie möglich. Suko und ich schauten auf Utaks gebeugten Rücken. Der ungewöhnliche Mann schlug einen Bogen nach links, den Umweg mußten wir einfach in Kauf nehmen, sonst wären wir genau im Mittelpunkt des Tals gelandet.
Als Suko und ich das Rauschen vernahmen, drehte sich Utak um und winkte uns herbei. Er deutete nach vorn, hinein in die Dunkelheit und gegen die Quelle des Geräuschs. »Der Wasserfall tost aus den Bergen und sammelt sich im Tal zu einem Bach, der die Menschen mit frischem Wasser versorgt. Wir müssen ihn überqueren.«
»Wie Tarzan an einer Liane hängend?« fragte ich.
»Nein, es gibt da eine schmale Brücke. Sie führt über den Wasserfall hinweg.«
»Sehr schmal?«
Utak nickte Suko zu. »Und hängend.«
Ich hob den Arm. »Indiana Jones läßt grüßen.«
»Wer ist das?« fragte Utak.
Ich winkte ab. »Vergiß es. Hat die Brücke denn bisher gehalten oder ist sie auch zusammengebrochen?«
»Man kann sie passieren.«
»Reizend.«
Suko stieß mich an. »Quatsch keine Opern, laß uns endlich von hier verschwinden.«
Ein Verschwinden war es nicht direkt. Mir kam es vor, als würde ich in eine brausende Hölle gehen. Wenn ich nach links schaute, sah ich aus der Höhe die mächtige, lange Wasserzunge in die Tiefe schießen. Sie schimmerte im Mondlicht silberhell, bevor sie krachend in das felsige Becken fiel und als Fluß durch das Bett rauschte.
Vor dem langen Wasserfall wirkte die Brücke dünn wie ein Spinnennetz. Ich bekam leichtes Herzklopfen, als ich sie schwanken sah.
Suko hatte seine Stirn gerunzelt. »Einfach wird es nicht sein«, bemerkte er.
»Denke einfach daran, daß es Indy auch geschafft hat, als er den verlorenen Schatz suchte. Du hast sogar die Peitsche.«
»Aber mir fehlt der Hut.«
»Das ist dein Pech.«
Utak war am Beginn der Brücke stehengeblieben. Man hatte Haken in die Felswand geschlagen und an den Ösen dort die Seile befestigt, die das Gebilde hielten. Zur Mitte hin hing sie durch. Die Unterlage setzte sich aus Holzbohlen zusammen, unter denen ebenfalls Stricke herliefen, die ihnen die nötige Festigkeit gaben.
Der Wind fing sich an dieser Stelle und löste Gischtfontänen von der herabdonnernden Sturzflut.
Utak hob den Arm. Beim Sprechen mußte er gegen den Krach anschreien. »Ich werde als erster gehen. Bleibt immer im Rhythmus und haltet euch an den Seilen fest.«
»Machen wir doch alles.«
»Dann los!«
Wir schauten zu, wie er die provisorische Brücke betrat. Umgeben waren wir von einer gewaltigen Landschaft, turmhohen Felsen, die wir jetzt besser erkennen konnten, weil das Mondlicht an Kraft gewonnen hatte.
Utak bewegte sich dermaßen sicher, als hätte er stundenlang gelernt, auf der Brücke zu gehen. Sie schwankte durch die Belastung tatsächlich, aber er schaffte es, die Schwankungen auszugleichen, so daß die Seile kaum schwangen.
Nach einigen Metern drehte er sich um, sah uns noch stehen und winkte. »Na denn«, sagte Suko und startete. »Wir sehen uns unten.«
»Und das ohne Fallschirm«, beschwerte ich mich. Es waren vorerst meine letzten Worte, denn Sekunden später spürte ich
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