0620 - Reise durch den Zeitstrom
ich mich zufrieden."
Jetzt wurde der Wirt mißtrauisch.
„Was für eine Aussprache ihr habt, Soldat", sagte er. „Ihr seid nie und nimmer ein Preuße. Woher kommt ihr?"
Saedelaere wurde einer Antwort enthoben. Er hörte Säbelklirren, als einer der Offiziere sich erhob. Dann ertönten stramme Schritte, und eine schneidende Stimme sagte: „Mich dünkt, ihr habt vergessen, was sich für einen gemeinen Soldaten geziemt! Nicht genug, daß ihr euch von der Truppe entfernt, kommt ihr hier herein wie die Bauern, ohne euren Offizieren gegenüber Haltung anzunehmen und zu grüßen.
Elemente wie ihr untergraben die Moral der ganzen Truppe. Ich werde an euch ein Exempel statuieren lassen!"
„Was will der von uns?" erkundigte sich Mentro Kosum bei Saedelaere.
„Er ist sauer, weil wir ihn nicht gegrüßt haben", erwiderte Saedelaere.
„Das kann er haben."
Kosum nahm Haltung an und entbot dem preußischen Offizier den militärischen Gruß der Solaren Flotte.
Der Offizier erstarrte und es schien fast so, als würden sich seine gewichsten Schnurrbartenden sträuben.
„Haben Sie Einsehen mit uns, wir sind Verwundete", versuchte Saedelaere die Situation zu retten. Aber er machte damit alles nur noch schlimmer.
Sessel wurden gerückt, als auch andere Offiziere aufsprangen, und empörte Rufe wurden laut. Der allgemeine Tenor war, daß das ungebührliche Betragen der beiden Soldaten mit einer drakonischen Maßnahme zu bestrafen sei. Saedelaere hörte aus den empörten Kommentaren heraus, daß man verlangte, sie „unehrlich zu stäupen", was eine Art der Auspeitschung war, oder sie Spießrutenlaufen zu lassen, was zwar als „ehrliche" Strafe galt, aber nicht immer überlebt wurde.
Saedelaere erregte sich über die anmaßende Haltung der Offiziere so sehr, daß es ihm auf Französisch entfuhr: „Cretin bigleux!"
Dieses Schimpfwort hatte er von Roi Danton gelernt, und es hieß auf gut Deutsch etwa soviel wie „Schielendes Unikum". Da die Preußen des Französischen mächtig waren, hatte Alaska Saedelaere damit sein Todesurteil gesprochen.
„Französische Spione!" rief einer der Offiziere. Und ein anderer bekräftigte: „Sie gehören an die Wand gestellt."
Plötzlich stürzten sich die Offiziere auf die beiden Zeitreisenden und begruben sie unter sich. Nachdem sie endlich von ihnen abließen, waren Kosum und Saedelaere an den Händen gefesselt.
8.
Man brachte Kosum und Saedelaere zur Rückseite des Gebäudes, wo sie, die Hände auf den Rücken gefesselt, an die fensterlose Wand gestellt wurden.
Die Trommler und Fackelträger nahmen links und rechts von ihnen in sicherer Entfernung Aufstellung.
Der Offizier und seine Kollegen hatten ihre Pferde bestiegen und saßen nun im Sattel. Ein Leutnant stieg vom Pferd und kam im Paradeschritt zu den beiden Delinquenten; den Säbel hatte er in der abgewinkelten Hand senkrecht erhoben.
Zwei Schritte vor Saedelaere und Kosum blieb er stehen und sagte etwas, das Kosum nicht verstehen konnte.
„Was will er denn noch von uns?" wollte der Emotionaut wissen.
„Er erkundigt sich, ob wir dem Tod ins Auge sehen wollen, oder lieber Augenbinden hätten", antwortete Saedelaere.
„Das ist aber sehr aufmerksam", meinte Kosum. „Aber sagen Sie ihm, daß er uns lieber die Fessel abnehmen sollte, damit ich mich kratzen kann. Mich juckt es am linken Auge."
„Das ist eine gute Idee", sagte Saedelaere, dessen Kopf immer noch durch das Verbandszeug vermummt war. „Wir tragen unter den Uniformen immer noch unsere Paralysatoren. Wenn man uns tatsächlich die Hände freimacht, werden wir uns den Weg freischießen."
In Deutsch und an den Leutnant gewandt, fuhr er fort: „Danke, Kamerad, wir benötigen keine Augenbinden: Aber wenn man uns die Fessel abnimmt, dann würden wir unser Schicksal in dem Bewußtsein hinnehmen, daß wir den ehrenhaften Soldatentod sterben."
„Ich bin eher der Meinung, daß ihr einen unehrenhaften Tod verdient habt, wie er den Spionen Napoleons zusteht", sagte der Leutnant barsch. Aber er machte zackig kehrt, ging zu seinem Vorgesetzten und berichtete ihm von dem Wunsch der beiden Verurteilten.
Der Kommandant sah streng zu Kosum und Saedelaere herüber, die ihm gefaßt entgegenblickten. Dann sagte er irgend etwas zu dem Leutnant.
„Was ist, tut er uns den kleinen Gefallen?" erkundigte sich Kosum bei seinem Gefährten.
Saedelaere zuckte die Achseln.
„Ich habe nicht verstanden, was er sagte. Aber mal abwarten.
Diese Preußen mit ihrem Ehrenkodex
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