0622 - Gefangen in den Höllenschlünden
stimmt's?«
Zamorra runzelte die Stirn.
»Wenn von beiden Seiten gleichzeitig an einem Weltentor beziehungsweise dessen Erschaffung oder Öffnung gearbeitet wird, bedarf das aber einer gewaltigen Koordination, nicht wahr? Alles muß auf den Sekundenbruchteil genau festgelegt sein, jede Handlung, jede Formel, jeder Krafteinsatz… sonst arbeiten die Beteiligten doch aneinander vorbei!«
»Richtig«, erwiderte Cordu unwirsch. »Deshalb sollten Sie mich jetzt nicht länger stören. Sonst geht es tatsächlich schief. Auf der anderen Seite wird bereits daran gearbeitet, und ich muß jetzt aufpassen, daß ich nichts im falschen Moment tue.«
»Dann machen Sie jetzt weiter!« brummte Zamorra.
Er war und blieb mißtrauisch.
»Daß noch jemand auf der Dämonenseite beteiligt ist, davon war aber bisher nicht die Rede«, sagte Nicole leise. »Das dürfte einiges ändern. Sind wir jetzt überhaupt noch sicher? Der Bursche hintergeht uns!«
»Das befürchte ich auch«, murmelte Zamorra. »Aber wir werden notfalls auch damit fertig. Wir haben bisher doch alles geschafft!«
»Und jeden«, sagte Nicole leise. »Trotzdem erlaube ich mir, mißtrauisch zu bleiben. Wir sollten damit rechnen, daß wir auch drüben gleich jede Menge Ärger bekommen. Vielleicht haben die Dämonen uns längst an Stygia verkauft, während wir noch glauben, wir könnten sie angreifen und ihr das Amulett abnehmen. Vielleicht wartet sie schon zähnefletschend auf uns, und wir tappen genau in die Falle hinein.«
»Das müssen wir riskieren.«
»Wir können immer noch abbrechen«, flüsterte Nicole. »Chef, hier ist was faul! Halten wir uns an Cordu, dann gibt es wenigstens einen Schwarzblütigen weniger. Um Stygia können wir uns ein andermal kümmern, unter Voraussetzungen, die für uns günstiger sind.«
Zamorra schüttelte den Kopf.
»Wir sind jetzt am Drücker«, sagte er. »Und solange wir davon ausgehen, daß es eine Falle für uns sein könnte, können wir uns auch dagegen wehren. Wir sind ja nicht unvorbereitet. Hast du Vorahnungen?«
Sie schüttelte den Kopf.
Zamorra lächelte ihr zu.
Unterdessen fuhr der Dämon mit seinem Zauber fort.
Von einem Moment zum anderen begann vor ihm die Luft zu flimmern. Es entstand ein dünner, senkrechter Strich, der sich allmählich verbreiterte.
Dahinter schimmerte es rötlich.
Zamorra ging um das Flimmern herum. Von der anderen Seite war nichts zu sehen. Das bewies, daß es sich tatsächlich um ein Weltentor handelte und nicht nur um einen einfachen magischen Effekt. Zamorra schritt von der Rückseite durch das Tor hindurch und tauchte vor dem Dämon wieder auf.
Das Tor hatte sich inzwischen erheblich verbreitert. Zamorra konnte dahinter eine undeutlich verwaschene Sphäre erkennen. Sie strahlte Wärme aus und loderte in rotem Feuer.
Unwillkürlich verkrampfte sich etwas in ihm.
Höllenfeuer…
Es schreckte ihn nach wie vor. Auch wenn er es kannte und von früheren Aufenthalten her wußte, daß es bei weitem nicht so gefährlich war, wie es aussah - zumindest nicht für leben de Menschen.
Natürlich konnten auch die Leben den in diesem Feuer verbrennen. Aber man konnte darauf reagieren, konnte den Flammen ausweichen und sie umgehen. Wie es den verlorenen Seelen erging, die in diesem Feuer glühten, wußte Zamorra nicht. Er wollte es auch lieber gar nicht wissen. Fest stand nur, daß sie den Flammen nicht entfliehen konnten, daß sie sich immer mitten darin befanden.
Vielleicht war aber auch das alles nur eine Illusion, hervorgerufen durch alte Erzählungen und Vorstellungen vom Höllenfeuer, wie sie von alters herüberliefert wurden.
In Wirklichkeit stimmte kaum eine der Erzählungen, mit denen man kleine Kinder erschreckte, mit der Wirklichkeit überein. Die Hölle war etwas ganz anderes, war eine Welt für sich. Sie steckte voller Gefahren, war ein gigantisches Labyrinth, in dem man sich verlaufen und verirren konnte, sofern man keine auch nur halbwegs klare Vorstellung von seiner Umgebung hatte.
Zamorra wußte, was ihn erwartete. Er hatte keinen Grund, sich übertrieben zu fürchten. Er kannte die Gefahren und die Gemeinheiten, die auf ihn warteten. Er hatte sie schon früher gemeistert.
Dennoch blieb ein ungutes Gefühl.
Er hatte Nicole nach einer Vorahnung gefragt, und sie hatte verneint.
Aber wie war es bei ihm selbst?
»Jetzt können wir hindurchgehen«, sagte der Dämon. »Das Tor ist stabil und bereit.«
Zamorra sah Nicole an. Sie nickte.
Gemeinsam schritten sie hindurch.
Cordu
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