0622 - Gehirn in Fesseln
bleibt Rhodan! dachte Bull verzweifelt. Er wagte nicht, das Feuer eröffnen zu lassen.
Der Beschuß eines Nullzeitfeldes, hier am Pol eines Planeten, konnte eine furchtbare Energieflut auslösen, deren Wirkungen nicht mehr zu kontrollieren waren. Die nächsten Minuten erschienen Bull wie eine kleine Ewigkeit. Endlich hörte er die Funkgespräche zwischen den Männern der Bodenstation und dem Piloten eines kleinen Raumschiffes oder eines schnellen Luftgleiters.
Rhodan, Atlan, Deighton und eine Menge Mutanten schickten sich an, hier zu landen und ins Geschehen einzugreifen.
Bull drehte sich um und fragte den Oberst: „Haben Sie hier irgendwo eine Schnapsflasche versteckt?"
Der Oberst nickte mit zusammengekniffenem, kreidebleichem Gesicht.
„Dann schenken Sie uns zwei große Gläser davon ein!" sagte Bull und stapfte aus dem Raum.
Das Verhängnis nahm seinen Anfang. Das wußte er mit erschreckender Deutlichkeit. Dagegen half auch kein Alkohol.
Aber er half, die Spannungen zu lockern.
*
Der Gleiter hielt an.
Rhodan zog, in einen dicken Pelz gekleidet, die Schultern hoch.
Die Heizanlage der Maschine lief auch auf Hochtouren, ebenso wie das Gebläse, das sich gegen die Scheiben richtete. Rhodan spürte förmlich, wie sich Dutzende von Projektoren auf den Nullzeit-Deformator richteten, der groß und stählern direkt vor ihnen aufragte. Alle drei Männer waren dick vermummt; Rhodan, der Arkonide und der Chef der Solaren Abwehr.
„Immerhin bemerkenswert, daß sich dieser Fremde bereit erklärt hat, mit uns zu sprechen!" knurrte Atlan. Aus seiner Stimme war die Wut herauszuhören.
„Vorausgesetzt, wir kommen unbewaffnet!" murmelte Deighton.
Der Gleiter senkte sich langsam zu Boden und berührte den Schnee, der knirschend zusammengepreßt wurde. Die Sonne ließ alles in einer trügerischen Helligkeit und Heiterkeit erscheinen. Aber Tausende entschlossener Männer und Hunderte von Geschützen starrten hierher.
„Es ist noch nicht alles verloren!" sagte Rhodan.
Keine zehn Meter vor ihnen glitt langsam das schwere Portal der Schleuse auf. Die halbautomatischen Abwehrwaffen des Nullzeit-Deformators richteten sich auf den Gleiter und seine drei Insassen.
Rhodan flüsterte durchdringend: „Markhor de Lapal ist gefährlich. Wir haben ihn unterschätzt, am meisten wohl ich. Er wird keine Sekunde zögern, sein Vorhaben wahrzumachen - wenn wir ihn nicht aufhalten können!"
In dem Schutzschirm war zunächst eine Strukturlücke geschaffen worden. Dann, nachdem sich Rhodan kurz mit den Verantwortlichen beraten hatte, schaltete man die Schirmfeldprojektoren ab. Nur noch das Nullzeitfeld flimmerte über der Kuppel. Würde dieses Feld nicht aufgebaut worden sein, hätte Rhodan das Feuer eröffnen lassen können. Jetzt war es zu spät dazu.
„Glaubst du, ihn aufhalten zu können?" fragte der Arkonide.
„Vielleicht!" sagte der Großadministrator.
Rhodan hatte über die kabelgebundene Verbindung mit de Lapal Kontakt aufgenommen, sobald er das Raumschiff verlassen hatte. Lapal hatte ein persönliches Gespräch zugesichert und verlangt, daß nur diese drei Männer sich dem Deformator nähern durften. Das war geschehen. Jetzt glitten die Türen des Gleiters auf, und Atlan und Rhodan sprangen hinaus in den Schnee. Ihre Fußabdrücke waren die einzigen seit langer Zeit.
„Verdammt! Ist das kalt!" stöhnte Deighton, der sich aus dem Sitz schwang und seinen Freunden folgte.
Sie gingen schnell die wenigen Schritte bis zu der offenen Schleuse. Die Läufe und die kleinen Projektoren der Waffen bewegten sich und richteten sich ein. Ein einfacher Knopfdruck würde genügen, den Raum vor der Schleuse und innerhalb des Metallhohlraums in eine flammende Hölle zu verwandeln.
Ein scharfes Klicken.
„Der Bildschirm!" sagte Atlan überflüssigerweise. Sein Atem wehte wie Rauch davon. Die Kälte biß in die Haut.
„Ich sehe es!"
Sie überschritten die Trennlinie zwischen Schnee und Metall.
Die Schritte hallten in der Schleuse. Eine drohende Stimmung kam auf und machte die Szene unwirklich. Auf dem Bildschirm neben der massiven inneren Schleusentür erschien das Gesicht des Mannes, der sie erpreßte.
„Sie sind waffenlos gekommen, wie ich hoffe!" sagte de Lapal.
Rhodan nickte. Atlan und Deighton starrten de Lapal schweigend an.
„Ihre beiden Begleiter bleiben hier!" sagte Markhor.
„Ich muß mit Ihnen sprechen!" sagte Rhodan. „Sie wissen, daß Sie uns in eine üble Zwangslage gebracht haben."
De Lapal grinste.
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