0623 - Ein Tropfen Ewigkeit
geheimnisvolle Zauberkessel? Wenn ja, werde ich ihn finden, dort hineingehen und versuchen, alles wieder rückgängig zu machen.«
»Vorausgesetzt, man läßt dich.«
»Willst du mich daran hindern?«
»Ja.«
»Weshalb?«
»Weil es mir die Chance gibt, dich aus dem Verkehr zu ziehen, was wiederum meinen Vater freuen wird. Ich werde dich bannen und zunächst mit ihm reden. Danach entscheide ich, was mit dir geschieht.«
Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, ich hätte gelacht. Merlin wollte mit dem Teufel reden. Ausgerechnet mit Asmodis, meinem Erzfeind. Wie dessen Antwort lauten würde, stand fest. Der Satan wollte meine Vernichtung. Er würde jubeln, dann war der Weg für ihn frei. Aber konnte ich mich gegen Merlin wehren? Er gehörte zu den Gestalten, die Schicksal spielten, für die es keine Zeiten gab und die immer sein würden. Es stimmte schon, er stand auf keiner Seite, er kochte sein eigenes Süppchen und würde sich auch nicht in seine Entscheidungen hineinreden lassen. Nur war mir nicht bekannt, wie die Entscheidungen ausfallen würden. Das konnte negativ für mich werden.
Merlin nickte mir zu. »Du hast gesehen, wie ich den König bannte. Ich habe entschieden, daß er zu den Bewohnern von Avalon zählen und die Insel niemals verlassen soll. Der prächtige Garten wird ihn für alle Ewigkeiten behalten. Auch dich werde ich vorläufig einfrieren, John Sinclair.«
Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, da bewegte er seinen glänzenden Zauberstab.
Ich war durch Artus gewarnt, wußte nicht, was ich dagegen unternehmen sollte, bis mir einfiel, daß sich das Kreuz in meinem Besitz befand und es aktiviert werden konnte.
Das tat ich.
»Terra pestem teneto – Salus hic maneto!«
So lautete die Formel, von der ich hoffte, daß sie auch in dieser geheimnisvollen Welt nichts von ihrer Kraft verloren hatte.
Und mein Kreuz handelte.
Ein strahlendes Licht erfüllte die Höhle, flackerte geisterhaft silbrig über die Innenwände, zuckte am Boden entlang und fand seinen Weg zu Merlin.
Ich hörte ihn schreien. Eine Aura der Helligkeit umgab ihn. Er hielt seinen Zauberstab krampfhaft fest. Aus dessen Ende sprühten dunkle Funken, die sich allerdings nicht zu irgendwelchen Zeichen verdichteten oder zersprangen.
Merlin selbst ging zurück. Sein Gesicht erinnerte mich an ein bleiches Tuch, das zwischen die beiden Seiten der Kapuze gespannt war. Er röchelte, er sank zusammen – und fiel zu Boden.
Ich starrte ihn an und schaute dann auf mein Kreuz. In einer Aufwallung eines Supergefühls berührte ich es mit den Lippen. So hoffnungslos sich die letzte Zeit mir gegenüber gezeigt hatte, so sehr hatte mir diese Szene wieder Hoffnung gegeben, es irgendwann noch zu schaffen.
Meine Augen glänzten. Auch wenn ich sehr gealtert war, etwas Spannkraft kehrte zurück.
Aber was war mit Merlin? Sollte es die Kraft meines Kreuzes geschafft haben, ihn zu töten?
Ich ging zu ihm und beugte mich herab. Er lag auf der Seite, den rechten Arm ausgestreckt, die Hand zur Faust geballt, aus der sein Zauberstab hervorschaute, dessen Spitze wie verbrannt aussah.
»Er ist nicht tot, wenn du das denkst«, sprach mich der König an und ging auf mich zu.
Ich kam hoch und drehte mich wieder um.
Er lächelte nicht, sein Gesicht wirkte unbewegt. »Du solltest dich beeilen, John Sinclair. Ich weiß nicht, wie lange ihn deine Magie gefangen hält…«
»Ja, er hat recht!«
Auf einmal drehte sich alles vor meinen Augen. Diese Stimme, die ich kannte und die einer Frau gehörte. Himmel, das war doch keine Einbildung – oder?
»Kara?« hauchte ich.
»Endlich, John – endlich…«
***
Sie sagte es und ließ mich innerlich jubeln. Ich schaute gegen die Decke der Höhle, und genau dort stand innerhalb des Lichteinfalls eine Person mit pechschwarzem Haar, einem dunklen, langen Kleid, bewaffnet mit einem Schwert, das eine goldene Klinge besaß, und behängt mit Schmuck, den ich zuvor noch nie an ihr gesehen hatte.
Ein dunkelroter Edelstein, der aus ihrem Haar hervorwuchs und seinen Platz auf ihrer hellen Stirnhaut gefunden hatte. Deshalb stach er so deutlich davon ab.
Sie schwebte nieder, lächelte mir aufmunternd zu und gab gleichzeitig eine Erklärung: »Ich habe lange gesucht, ich bin lange gereist, ohne den Ring durchbrechen zu können. Erst als du die Formel gerufen hast, ist es mir möglich gewesen.«
»Ja, ja… aber wieso?«
Sie berührte jetzt den Boden, schaute mich genau an und verlor kein Wort über mein Aussehen, wie ich
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