0624 - Die Tränen der Baba Yaga
auch noch selbstbeweglich ist…«
»Treib's nicht zu weit mit deinem Sarkasmus«, warnte Zamorra. »Ich an seiner Stelle hätte dich schon längst für deine Bemerkungen zur Rechenschaft gezogen.«
»Ach, wir kennen uns schon lange«, sagte Amos, um gleich wieder lautstark nach dem Holländer-Michel zu rufen.
»Vielleicht solltest du ihn mal bei seinem richtigen Namen Fricor rufen«, schlug Zamorra vor.
Aber das war nicht mehr nötig.
Der Dämon erschien!
***
Er war eine imposante Erscheinung. Eine wuchtige, hoch gewachsene Gestalt mit breiten Schultern, wie ein Holzfäller oder Flößer aus vergangenen Jahrhunderten gekleidet, mit Schaftstiefeln, die ihm bis weit über die Oberschenkel reichten. Gewaltige Muskelpakete zeichneten sich deutlich unter der Kleidung ab.
Er füllte die Höhle fast bis unter die Decke aus. Selbst der nicht gerade unscheinbare Sid Amos wirkte ihm gegenüber wie ein armseliger Zwerg; geradezu lächerlich dabei der Lachende Tod, der durch seine hektische Suche auch nicht mehr besonders seriös wirkte.
»Der Fürst der Finsternis persönlich«, dröhnte Fricors Donnerstimme. »Was verschafft mir diese seltene Ehre?«
Der Lachende Tod hielt inne. Geduckt schlich er heran.
»Die Gäste, die Ihr mitgebracht habt, mein Fürst, wollen mir aber nicht so recht behagen«, fuhr Fricor fort. »Ratet mir: Wär's Unrecht, sie vom Gastrecht auszunehmen? Denn ich kann mich nicht entsinnen, sie eingeladen zu haben.«
Wußte Fricor noch nicht, daß Sid Amos schon seit vielen Jahren nicht mehr Asmodis, der Fürst der Finsternis, war?
Dann mußte man es ihm sicher nicht gerade jetzt offenbaren…
Der Lachende Tod beging diese Narrheit trotzdem.
»Fürst? Daß ich nicht lache!« keifte er. »Ein armseliger Ex-Fürst, in Schimpf und Schande davongejagt!«
»Daß ist die eine Version der Geschichte«, erwiderte Asmodis gelassen. »Will jemand die andere demonstriert bekommen?«
»Was wollt Ihr?« knurrte Fricor. »Sagt's und stehlt mir nicht meine wertvolle Zeit!«
»Du hast mein Herz gestohlen! Du mußt es mir zurückgeben! Sofort!« verlangte der Tod.
»Du hast es leichtfertig fortgeworfen. Soll ich deines Herzens Hüter sein?«
»Ach, jetzt kommt er mit diesen dummen Sprüchen«, seufzte Asmodis. »Paß gut auf, Holländer-Michel. Wir sind hier, weil wir ein Herz von dir wollen.«
»Könnt ihr gern haben«, erwiderte der Dämon leutselig.
»Kein Herz aus Stein, und nicht im Tausch gegen eines von unseren«, sagte Zamorra kalt.
»Verstehe ich das richtig?« fragte der Dämon und legte den Kopf schräg. »Ihr wollt eines der Herzen aus meiner Sammlung? Aus dieser Sammlung?«
»Ich sehe, wir verstehen uns«, erwiderte Zamorra.
»Wohl kaum!« donnerte Fricor. »Dieses lausige Klappergestell hat mich jüngst schon zwei Herzen gekostet! Was glaubt ihr eigentlich, wer ich bin?« Er machte eine Armbewegung, der der Lachende Tod nur knapp ausweichen konnte.
»Du bist jemand, den ich vernichten werde, wenn ich nicht bekomme, weshalb ich hier bin. Oder… ich werde deine Sammlung zerstören. Ein Teil nach dem anderen. Und du wirst mich nicht daran hindern können«, drohte Zamorra.
»Ich werde dein Herz nehmen, und dann bist du mir ausgeliefert!« drohte Fricor.
»Das kannst du nicht«, gab Zamorra zurück.
Er aktivierte sein Amulett.
Von selbst war es bisher nicht in Aktion getreten; offenbar stufte es die Begegnung bisher nicht als gefährlich für seinen Besitzer ein. Jetzt aber, auf Zamorras Gedankenbefehl hin, entstand ein grünliches Leuchten, das seinen gesamten Körper einhüllte. Das Amulett vibrierte erwartungsvoll. »Wenn ich will, vernichte ich dich jetzt«, warnte Zamorra.
Er ging auf das ihm am nächsten stehende Regal zu und griff nach einem der Behältnisse. »Oder ich fange schon mal hiermit an.«
Fricor zitterte vor Wut.
»Welches Herz willst du haben?« stieß er hervor.
»Meines!« verlangte der Lachende Tod sofort.
»Das Herz der Baba Yaga«, korrigierte Zamorra.
»Nein!« schrie der Lachende Tod. »Ich habe nicht, was du verlangst«, behauptete der Dämon.
»Oh, du hast es sehr wohl«, widersprach Asmodis. »Oder kennst du dich in deiner eigenen Sammlung nicht mehr aus? Ich weiß, daß du es mir bei einer unserer wenigen früheren Begegnungen stolz gezeigt hast.«
Fricor schwieg.
»Ich weiß sogar, wo du es aufbewahrst. Du warst so leichtsin… hm, so freundlich, es mir zu erzählen«, fuhr Asmodis fort und setzte sich in Bewegung. Zamorra schloß sich ihm
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