0626 - Kopfjagd in der Höllenwelt
zurückzuhalten. Einmal drehte der Zauberer sich um. Der Schatten in seinem Gesicht verformte sich leicht, gab für ein paar Herzschläge grinsende Lippen frei. Dann ging Aaraa weiter.
Patricias wagte nicht, nach unten zu sehen. Und das riesige Steinmaul wurde immer größer.
Es nahm den Zauberer und sein Pferd auf. Und es verschlang Patricia.
Übergangslos stand sie in einer Art großem Innenhof. Überrascht erkannte sie, daß der Fels nicht massiv war. Von diesem Plateau aus führte er nur noch als Mauer weiter. Dahinter lag ein Tempelhof. Die eigentliche Felswand setzte sich erst viele Dutzend Meter weiter steil aufragend fort.
Zwischen ihr und dem Zugang erhob sich der eigentliche Tempel. Ein langgestrecktes, flaches Bauwerk mit Kuppeldach, dessen Vorderfront von mächtigen Säulen gestützt wurde.
Aaraa ließ mit einem Zauberwort den steilen Weg draußen wieder verschwinden. Auf diesem Weg konnte nun niemand mehr hinauf.
»Steig ab!« befahl der Zauberer.
Patricia mußte gehorchen. Der Zauberer zwang sie mit seiner Kraft dazu. Hilflos und verängstigt stand sie jetzt in dem großen Innenhof.
Aaraa streckte die Arme vor. Aus seinen Fingerspitzen sprangen Funken empor, flirrten dem Tempel entgegen und berührten ihn.
Lichter glommen auf.
Sie wurden heller und heller. Ein fahler, unheimlicher Schein umhüllte den Tempelbau. Das Licht kam von innen, glühte durch die Wände und Fenster. Und in diesem Glühen erkannte Patricia im Tempelinnern die schattenhaften Umrisse einer furchtbaren Kreatur.
Ein bösartiges Knurren erklang.
***
Hufe donnerten durch die Nacht. Die wilde Jagd brauste durch die Berge, die schmalen Pfade entlang, und kein einziges Mal trat eines der Pferde fehl. Weiße Schatten huschten durch die Dunkelheit, weit nach vorn gebeugt, um den Pferden durch die Gewichtsverlagerung zu helfen. Zwanzig Soldaten, die wußten, worum es ging. Schnelligkeit zählte, sonst nichts.
Für sie war es ein Auftrag wie jeder andere. Ob sie einen Aufstand niederschlugen, ein Räubernest aushoben oder einen abtrünnigen Zauberer jagten, spielte keine Rolle. Sie waren gewohnt, schnell und präzise zu handeln. Sie waren nicht gewillt, dem Zauberer auch nur die geringste Chance zu lassen - wenn sie ihn erwischten…
Aber der Weg war noch weit. Die Zeit bis zur Morgendämmerung raste förmlich dahin, mit den Sturmrössern um die Wette. Die Zeit arbeitete für den Zauberer…
***
»Was ist das?« keuchte Patricia. Sie blieb stehen; der Schreck ließ sie den magischen Zwang kurzzeitig überwinden. »Was ist das für ein Ungeheuer?«
»Einer der Tempelwächter«, kicherte Aaraa. »Keine Sorge, er tut dir nichts, solange ich es nicht will - er nicht… Aber nun vorwärts! Zier dich nicht. Es wird bald hell.« Er packte zu und zerrte Patricia am Arm hinter sich her.
Noch während sie sich den Stufen näherten, die zur Säulenfront hinaufführten, öffnete sich ein großes Portal. Licht strahlte daraus hervor. Und aus dem Licht heraus quoll, floß, schwebte, kroch, tappte jenes Ungeheuer, dessen Schatten Patricia erschreckt hatte. Jetzt war es noch viel furchtbarer, unbeschreiblich in seiner Gestalt. Eine Glutwolke umhüllte es, wurde schwächer, dann wieder stärker. Gräßliches Fauchen und Knurren begleitete die entsetzliche Erscheinung, als sie den Tempel verließ und in einem weiten Bogen um den Zauberer herum kroch.
Am Rand des Felsenhofes kauerte die Bestie sich nieder. Die Glut erlosch. Die Kreatur wurde zu einem düsteren, schwarzen Etwas, einem Felsblock nicht unähnlich, aber doch bereit, jederzeit wieder zu schrecklichem Leben zu erwachen.
Zwei weitere Gestalten erschienen. Sie wirkten irgendwie verschwommen und unfertig. Riesige faltige Schädel saßen auf vierarmigen Körpern. In den Schädeln glomm jeweils nur ein großes Auge, und aus jeder Stirn ragte ein gewaltiges, gekrümmtes Horn hervor. Die Wesen gaben dumpfe Laute von sich.
Aaraa schien sie zu verstehen. Er antwortete in der gleichen dumpfen Sprache, und die Vierarmigen gaben das Portal frei. Aaraa trat ein, zog das Mädchen hinter sich her. Im Vorbeihuschen sah Patricia, daß die Vierarmigen an jeder Seite ein Schwert in ihren Gürteln trugen. Solche Schwerter hatte Patricia nie zuvor gesehen. Jeweils zwei Klingen mußten quer zueinander geschmiedet worden sein, so daß sich vier Schneiden ergaben. Wehe dem, der von diesen Waffen getroffen wurde…
Dann waren sie im Tempelinnern.
Ein vorgezeichneter Weg führte auf eine schwarze Tür
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