0629 - Attacke der Werwölfe
Grissom sich in freier Natur aufhält, wovon schwärmt er dann besonders? Vielleicht von Lichtungen, von bestimmten Hanglagen, um den Sonnenuntergang zu betrachten, wie auch immer…«
Die beiden anderen sahen sich an und schüttelten die Köpfe. »Keine Ahnung.«
»Worauf wollen Sie überhaupt hinaus?« wollte Cosima wissen.
»Er ist verletzt, wahrscheinlich schwer verletzt. Vielleicht mag er irgendwelche ganz bestimmten Ruhepunkte, zu denen er sich in solchen Fällen möglicherweise zurücksehnt, zurückzieht. Er lebte früher in diesem Landstrich. Nicht hier in Longdown, aber in einem der Orte ringsum.«
»In Newton Abbot. Das müßte ein gehöriges Stück weiter südlich sein. Aber er hat da keine Wohnung, wenn Sie das meinen. Er erzählte nur manchmal davon, daß er dort aufgewachsen ist.«
Zamorra überlegte. Besonders gut kannte er diese Gegend nicht. Er ging zum Mercedes und nahm eine Landkarte aus dem Handschuhfach. »Das ist ein Dutzend Meilen oder mehr«, stellte er dann fest. »Ich glaube kaum, daß er zu Fuß und mit einer Silberkugel im Körper so weit gekommen ist. Immerhin war er vorher schon verletzt.«
»Aber im Wagen ist kaum Blut zu finden«, sagte Julio. »Sehr schwer kann diese erste Verletzung also nicht gewesen sein.«
»Vielleicht ist er per Anhalter gereist«, sagte Cosima.
»Antony? Der doch nicht«, brummte ihr Freund. »Der wartet lieber stundenlang im Regen auf ein Taxi, das dann doch nicht kommt, als daß er einmal den Daumen hebt.«
»Und wenn er ein Taxi genommen hat?«
»Glaube ich nicht«, widersprach Julio. »Ein Taxifahrer hätte garantiert seine Verletzungen bemerkt und gemeldet, und das weiß auch Antony. Außerdem, warum sollte er nach Newton Abbot fahren? Er hat dort doch nichts mehr. Wenn er unter einer Brücke schlafen wollte, könnte er das hier in der Nähe sicher einfacher haben. Nein, ich denke, er wird irgendwo hier in der Nähe sein und auf uns warten. Er rechnet bestimmt damit, daß wir nach ihm suchen.«
»Es dämmert schon. Bald wird es dunkel sein«, sagte Cosima. »Da hat es nicht mehr viel Sinn, zu suchen.«
»Aber wenn er nicht bald Hilfe bekommt, stirbt er möglicherweise«, drängte Julio unruhig. »Der Professor und ich könnten mit Taschenlampen die Umgebung absuchen.«
Zamorra betrachtete die Landkarte. Unter einer Brücke schlafen, dachte er. Etwas mehr als eine Meile weiter südlich war ein Bach eingezeichnet, der dort, jenseits eines kleinen Berges, entsprang. Er wird fiebern. Er wird Wasser benötigen. Als Wolf könnte er das Wasser gewittert haben. Vielleicht ist er dort.
Es war einen Versuch wert. Wenn es nicht klappte, konnte er anschließend immer noch versuchen, mit der Zeitschau seines Amuletts Grissoms Spur zu verfolgen, beginnend beim Haus des Arztes, Händlers, Predigers, Wirtes, und was der sonst noch alles war. Allerdings würde ihn das sehr viel Kraft kosten, denn der Vorfall lag mittlerweile fast einen ganzen Tag zurück. Deshalb wollte Zamorra auf diese Option möglichst nicht zurückgreifen müssen.
Er erklärte den beiden Spaniern seinen Plan und bat sie, mitzukommen.
»Er kennt Sie, er wird auf Ihre Nähe eher reagieren als auf mich und meine Gefährtin. Es könnte aber gefährlich werden. Wenn er bereits alles Menschliche verloren hat, besteht das Risiko, daß er uns angreift und zu verletzen oder zu töten versucht.«
»Antony ist unser Freund. Er wird uns nicht angreifen«, sagte Cosima überzeugt.
Zamorra betrat den Pub wieder, entdeckte Nicole und informierte sie. »Ich komme mit«, sagte sie. »Warte, ich hole unsere Einsatzausrüstung. Wenn wir nicht fündig werden, übernehme anschließend ich die Zeitschau. Dann bleibst du bei Kräften.«
Er nickte und ging voraus zum Wagen.
Ein paar Minuten später fuhren sie los.
***
Grissom hechelte. Er hatte das Wasser gefunden, aber es konnte seinen Durst nur zum Teil löschen. Es war ein Durst, der schmerzte. Als er einen Hasen fing und mit Händen und Zähnen zerfetzte, stillte das auch nur einen Teil seines Hungers. Das Blut, das er trank… es war besser als das Wasser, aber es war nur Tierblut. Was Grissom brauchte, war etwas anderes.
Er mußte zurück, dorthin, wo Menschen lebten. Aber die Furcht war noch zu groß. Ein Mensch hatte versucht, ihn zu töten.
Es wurde dunkel.
An seine Freunde, die er um Hilfe gebeten hatte, dachte er nicht mehr, aber an die Werwölfe in Exeter. Vielleicht konnten die ihm helfen. Aber Exeter war weit; wie sollte er in seinem
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