0629 - Der Racheengel
gehabt, sie gehörte zu den uralten Göttinnen, und mir fiel ein, dass ich auch mit meinem Kreuz nichts ausrichten konnte, denn es war später entstanden, als Israel unter babylonischer Knechtschaft litt und der Prophet Hesekiel das Kreuz erschuf.
Um es leger zusammenzufassen, musste ich feststellen, dass sich Sir Edgar mit Sassia ein Kuckucksei ins Nest gelegt hatte, einen Bumerang, der nun zurückschlug.
Die Diener waren tot, aber die Kraft der Astarte, das blaue Licht, lebte weiter.
Davor musste ich mich hüten.
Ich schielte auf die Schädel. Sie lagen da und bewegten sich nicht. In meiner langen Laufbahn hatte ich schon fliegende und killende Schädel erlebt. Da waren sie mit Schwarzer Magie gefüllt gewesen, was hier wohl nicht in Frage kam.
»Was willst du mit den Totenköpfen?«, fragte ich die Mörderin. »Hier im Raum lassen?«
Sie sah mich mit einem ungewöhnlichen Blick an, als würde sie meine Gegenwart erst jetzt registrieren. »Erinnerung«, erklärte sie. »Diese Schädel sind für mich Erinnerung. Kannst du das nicht begreifen?«
»Schon - nur nicht glauben.«
»Was hindert dich daran?«
»Könnten sie nicht als die Auffänger für das Licht gelten, für die Seelenfetzen der Göttin, die noch immer auf dem Wege sind, um Wirtskörper zu finden?«
Ihr Blick verglaste noch mehr. Dann nickte sie mir zu. »Ja, das ist nicht schlecht. Ich weiß zwar nicht, wer du bist, aber ich habe bei unserer ersten Begegnung im Wald bereits festgestellt, dass du anders bist als normale Menschen.«
»Kaum«, wiegelte ich ab. »Ich bin nur Polizist. Ein sehr simpler Bulle, wie manche sagen würden.«
»Und was hat dich hergeführt?«
»Ich wollte einen Mörder fangen und ihn vor ein Gericht stellen. So einfach ist das.«
»Edgar Brake?«
»Genau.«
Da warf sie den Kopf zurück und lachte. »Nein, nicht ihn, denn er gehört mir.«
Ich legte meine Stirn in Falten. »Das möchte ich nicht unterschreiben, Sassia. Du solltest daran denken, dass in dieser Welt andere Gesetze gelten als die der Göttin Astarte. Hier kann nicht jeder tun, was er will. Tut mir leid.«
»Ich halte mich an meine Gesetze. Ich bin den Pfad der Rache gegangen und werde nicht von ihm abweichen. Ich muss die Gerechtigkeit haben. Wer immer du auch sein magst, du wirst mich dabei nicht aufhalten. Ich werde ihn köpfen, so wie er den anderen Menschen die Köpfe abgeschlagen hat. Das sind meine Gesetze.«
Sir Edgar Brake hatte wieder Oberwasser bekommen, trotz der für ihn schlimmen Voraussagen. »Da haben Sie es gehört, Sinclair. Dieses Weib will mich killen. Sie sind Polizist. Sie sind dem Gesetz verpflichtet. Beweisen Sie das mal, jetzt haben Sie eine Chance. Bringen Sie mich von dieser - dieser Person weg.«
»Sie widern mich an, Brake.«
»Das müssen Sie tun, Sinclair. Das müssen Sie, verdammt noch mal. Dazu sind Sie verpflichtet.« Er atmete keuchend. »Haben Sie nicht selbst davon gesprochen, mich nach London bringen zu wollen, um mich dort vor ein Gericht zu stellen? Dann los, machen Sie es, verdammt. Ich will nach London und vor ein anständiges Gericht gestellt werden. Sie müssen mir diesen Wunsch erfüllen.«
Er geiferte, hatte sich furchtbar aufgeregt, und ich dachte daran, dass mich dieser Mensch regelrecht anwiderte. Nur hatte er leider Recht. Ich war dem Gesetz verpflichtet und konnte keinem Mord so einfach zusehen. In diesem Fall würde ich mich gegen Sassia stellen müssen.
»Sie überlegen noch, Sinclair?«
»Halten Sie den Mund, Brake«
»Angst, wie?«, höhnte er.
Er sah, dass ich eine Hand zur Faust ballte, und schwieg verbissen.
Sassia hatte mich beobachtet. »Kannst du nun verstehen, dass ich weg wollte von ihm?«
Ich nickte ihr zu. »Sicher, ich verstehe es. Mehr auch nicht. Ich mag es nämlich nicht, wenn Personen irgendwelche Gottheiten anbeten, die das Grauen und die Angst über die Menschheit bringen. Und ich mag es ferner nicht, wenn sich ein Mensch zum Richter über andere aufspielen will. Ist das klar?«
»Dann sind wir auch Feinde!«
»Ja, Sassia.«
Ich war gespannt darauf, wie sie reagieren würde. Zunächst tat sie nichts und hob nicht einmal ihre Waffe an. Sie sagte nur: »Schon in alter Zeit sind viele Menschen durch das Schwert und im Namen der Astarte geopfert worden. Die alte Zeit ist nicht vergessen. Ich habe sie wieder auferstehen lassen.«
Allmählich wurde es kritisch. Ich wollte Sir Edgar aus der Gefahrenzone haben und wisperte ihm zu: »Gehen Sie zur Tür…«
Er rührte sich
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