0629 - Der Racheengel
ältere Dame begriff sehr schnell. »Dann kommt es also auf Sie an, ob wir in Trenton normal weiterleben können oder nicht.«
»So ungefähr.«
»Stellen Sie sich den Leuten, das ist Ihre einzige Chance. Oder fliehen Sie.«
»Das wäre keine Lösung.«
»Sehr edel. Was wollen Sie wirklich?«
»Ich möchte, dass diese drei Fremden erfahren, wo ich mich befinde, Madam. Sorgen Sie dafür, dass es an ihre Ohren gelangt. Sie werden hier zum Friedhof kommen, und genau hier werde ich mich ihnen stellen, damit den Bewohnern der Stadt nichts passiert. Denn das geht nur mich und sie etwas an.«
Die ältere Dame hatte sehr genau zugehört. »Ich kann Ihren Mut nur bewundern, Mister.«
»Es bleibt mir keine andere Wahl.«
»Gut, ich werde es versuchen, kann Ihnen aber nicht versprechen, ob es gelingt.«
»Bestimmt.«
Sie reichte ihm die faltige Hand. »Dann viel Glück. Möge Gott Sie beschützen.«
Suko nickte und schaute der Frau nach, wie sie zum Tor ging und erst dort mit den Schatten der Dämmerung eins wurde.
Er konnte nur hoffen, es richtig gemacht zu haben. Wenn die drei Söldner nicht darauf eingingen, musste er es eben im Ort selbst versuchen. Einen anderen Weg gab es nicht.
Suko durchwanderte einen Teil des Geländes. Begleitet von der Stille und den stummen, steinernen Zeugen der grauen Grabsteine, die einen traurigen Eindruck auf ihn machten.
Friedhöfe wirkten immer etwas verloren. Sie waren so endgültig, es gab kein Entrinnen mehr für denjenigen, der hier einmal seine letzte Ruhestätte gefunden hatte.
Passend waren - auch die beiden Trauerweiden, die rechts und links der Trauerhalle wuchsen. Einige ihrer nach unten hängenden Zweige hatten sich auf das Dach gelegt, als wollten sie es beschützen. Die letzten Orkane hatten diesen Bäumen nichts anhaben können, sie waren noch unversehrt.
Die Tür zur Halle war dunkelbraun gestrichen. Ein großes Kreuz zierte sie.
Eigentlich ohne ersichtlichen Grund drückte Suko die Klinke nieder und wunderte sich, dass die Tür nicht verschlossen war. Beim Aufziehen teilte sich das Kreuz in zwei Hälften, und Suko betrat die hinter der Tür lauernde dumpfe Stille.
Die Luft roch schal, geschwängert mit Desinfektionsmitteln und einem schweren Blütenduft. An der rechten Seite des Ganges entdeckte Suko die Umrisse eines Stehpults, auf dessen schräger Fläche die Kondolenzliste ausgelegt wurde, wo sich die Menschen eintragen konnten, die den allerletzten Weg des Toten begleiteten.
Licht brannte keines. Nur schwaches Dämmerlicht drang durch die offene Tür in den Gang der Trauerhalle.
Suko wollte die einzelnen Räume nicht durchsuchen. Er hatte sich diesen Ort nur kurz aus reiner Neugierde angeschaut. Erwarten wollte er das Trio draußen.
Auf ebenso leisen Sohlen verließ er die Trauerhalle wieder und ging einige Schritte in die Tiefe des Friedhofs hinein. Unter seinen Schuhen knirschte der Dreck. Dünne Nebelschwaden wehten ihm wie schwache Atemzüge entgegen.
Die Atmosphäre verdichtete sich. Sie bekam etwas Zwielichtes uni Unheimliches.
Auf zwei Gräbern brannten kleine Lampen. Sie leuchteten in der Dämmerung wie rotgelbe Augen.
Suko dachte daran, dass es den drei Männern möglich war, Gegenstände zu bewegen. Da war eigentlich nichts vor ihnen richtig sicher. Möglicherweise auch keine Grabsteine.
Suko hielt nach einem strategisch günstigen Platz Ausschau. Es war nicht gesagt, dass die Mörder auch den normalen Weg nehmen würden. Sie konnten plötzlich da sein, wie jemand, der hergebeamt worden war.
Der Inspektor überprüfte seine Waffen. Sie waren okay, das Magazin der Beretta mit geweihten Silberkugeln gefüllt, und auch seine Dämonenpeitsche funktionierte wie immer.
Auf dem Gelände standen mehrere Bänke. Die meisten so verteilt, dass der dort Sitzende einen guten Überblick hatte. Sich auf einer Bank niederzulassen und dort abzuwarten empfand Suko als gar nicht schlecht. Er suchte sich eine aus, die der normalen Eingangsseite direkt gegenüberlag.
Dort wartete er.
Suko saß in einer relativ guten Deckung. Hinter ihm wuchs eine Mauer aus Buschwerk hoch, und vor ihm lag in seiner vollen Breite das Gräberfeld des Friedhofs.
Bei seiner Ankunft hatte er noch die einzelnen Gräber unterscheiden können. Das war jetzt nicht mehr so. Die Schatten der Dämmerung ließen die Grabstellen ineinander fließen, sodass sie sich zu einem grauen, schattigen Brei veränderten.
Nur die beiden Lichter schufen helle Flecken, die sich ausbreiteten, je
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