0629 - Der Racheengel
Ende bewusst in die Länge.
Als er den Mund bewegte, zitterten auch die Geschwüre auf seinem Gesicht. »Niemand kann uns stoppen, Chinese! Ich weiß nicht, was mit meinen Partnern genau geschehen ist, aber drei sind eben zu viel für dich. Das musst du einsehen. Eine Kugel ist zu gnädig für dich. Ich überlege, ob ich dich nicht…«
Er unterbrach seine Drohungen, weil etwas passierte, mit dem keiner gerechnet hatte.
Alles kam anders, und es kam tatsächlich mit einer reinen Urgewalt. Plötzlich zitterte der Boden wie bei einem Erdbeben. Ein dumpfes Grollen rollte durch das Gelände, so stark, dass selbst einige Grabsteine nicht mehr starr blieben. Suko konnte sehen, wie sie zitterten.
Und wieder ließ ein gewaltiger Stoß die Erde beben. Das Geschehen erinnerte an die Voraussagen zum Jüngsten Gericht, wo die Kraft des Himmels die Gräber öffnen und die dort liegenden Toten entlassen würde.
Suko wunderte sich darüber, dass auch Creep überrascht worden war. Er, der bisher alles unter seiner Kontrolle gehalten hatte, war nicht mehr Herr der Lage.
Zwar hielt er seine Waffen fest, er konnte sich auch auf den Beinen halten, weil er breitbeinig stand, aber er glotzte fassungslos auf den liegenden Suko nieder.
Suko kam mit seiner Antwort der Frage zuvor. »Ich weiß es nicht!«, keuchte er. »Ich weiß nicht, was es bedeutet.«
Creep stieß zischend die Luft aus. Danach durchrann ein Zittern seine Gestalt, so heftig, als würden zahlreiche Stromstöße durch seinen Körper schlagen.
Er ging zurück. Seine Bewegungen waren von ächzenden und heulenden Lauten begleitet. Sukos Anwesenheit hatte er völlig vergessen, er war zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt und hinderte den Inspektor auch nicht daran, sich aufzusetzen.
Wieder zitterte der Boden. Suko kam sich vor wie auf einem stampfenden Schiff. Der gesamte Friedhof war in Bewegung geraten. Kein Grabstein stand mehr ruhig. Eine schaurige Kulisse tanzte und schwankte durch die Finsternis.
Wieso?
Es musste mit Creep und seinen beiden Kumpanen zu tun haben, denn bei ihm fing es an.
Er blieb plötzlich stehen und schrie erbärmlich. Gleichzeitig öffneten sich seine Fäuste, die beiden Revolver fielen herab und blieben mit den Läufen im Boden stecken.
Creep selbst ging zurück. Er wirkte wie eine in die Dunkelheit des Friedhofs gezeichnete Figur, die nicht mehr Herr ihrer eigenen Kräfte war, sondern unter der Kontrolle anderer stand.
Seine Hände hatte er gegen die Wangen gepresst. Sie drückten so hart gegen die mit Pusteln und Geschwüren überzogene Haut, als wollte sie dort etwas herauswürgen.
Und es kam.
Es schoss aus ihm hervor, aus seinen Augen, aus den Nasenlöchern, den Ohren ebenfalls und auch aus dem Mund. Es war ein blaues, ein scharfes Licht ohne Schatten, aber von einer immensen Dichte, die sich rasend schnell auf dem Totenacker ausbreitete und alles erfasste.
Das Licht legte einen Teppich über den Boden, umfing die Grabsteine ebenso wie die Kreuze und bekam immer noch Nachschub, denn Creep presste immer mehr aus seinem Körper.
Suko hatte sich längst hingestellt und schaute dem unheimlichen Vorgang zu. Er konnte ihn nicht begreifen, nur darüber spekulieren, und er dachte daran, dass die andere Kraft den Gastkörper nicht mehr haben wollte und ihm entfloh.
Schreiend und jammernd stand Creep da. Sein Körper zuckte wie unter Schlägen, wenn abermals die magische Energie aus ihm herausgedrückt wurde und der blaue Schein noch mehr Nachschub erhielt.
Wie lange konnte ein Mensch so etwas aushalten?
Creep gehörte zu den Starken, er war aber nicht zu stark. Noch einmal umtanzte ihn die starke Kraft, die Bläue, die Seele einer fremden, geisterhaften Person, dann hatte sie endlich seinen Körper verlassen und Creep so stark geschwächt, dass es ihm unmöglich war, sich noch aus eigener Kraft auf den Beinen zu halten.
Er versuchte es, taumelte dabei nach rechts, denn dort konnte er sich an einem großen Grabstein abstützen. Seine Hände hatten ihn kaum berührt, als sie abrutschten, Creep das Gleichgewicht verlor und mit dem Gesicht zuerst auf die weiche Friedhofserde fiel.
Regungslos blieb er liegen.
Auch Suko brauchte eine gewisse Zeit, um erfassen zu können, dass von Creep keine Gefahr mehr drohte. Er hatte sich überschätzt, auf das falsche Pferd gesetzt und den entsprechenden Tribut zahlen müssen.
Wie verhielt es sich mit seinen Kumpanen, die ebenfalls von der anderen Kraft besessen gewesen waren? Bevor er
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