063 - Das Verrätertor
hineinmischen.«
»Zu Befehl, Sir.«
Der Sergeant salutierte und ging in die Wachstube zurück.
Graham schaute nach dem Tor hinunter. Sein Herz schlug zum Zerspringen. Plötzlich sah er zwei dunkle Gestalten aus der glasbedeckten Vorhalle des Schatzhauses auftauchen. Er hörte einen leisen Pfiff – das war das Signal. Geräuschlos lief er die Stufen hinunter und folgte ihrer Spur. Er hatte das Pförtchen des Blutturms erreicht, als ihn jemand aus der Dunkelheit anrief. »Hallo, Dick, ich muß dich sprechen!«
Bevor er sich über die Gefahr klarwurde, stand ein schlanker Mann in Uniform vor ihm. Es war Bobby Longfellow.
»Ich konnte Hope nicht antreffen, ich habe den ganzen Abend versucht, sie zu finden – «
Hier fiel Graham in seiner ungeheuren Aufregung aus der Rolle.
»Ich habe jetzt keine Zeit«, sagte er und stieß den jungen Mann beiseite.
In diesem Augenblick fühlte er einen scharfen Griff an seinem Arm. Bobby schaute ihn durchbohrend an.
»Bei Gott!« stieß er hervor. »Sie sind nicht Dick Hallowell…«
Graham schlug wild zu. Bobby mußte den Arm loslassen, verlor sein Gleichgewicht und fiel hintenüber gegen das Tor. Im nächsten Moment rannte Graham vorwärts, so schnell er konnte. Er sprang über das Geländer, eilte durch das offene Verrätertor und flog buchstäblich die Leiter empor. Mawsey wartete oben auf ihn.
»Schnell!« zischte er.
Und es war wirklich höchste Eile notwendig. Sie hörten scharfe Kommandos, und gerade als Graham von der Uferkante in das wartende Boot sprang, pfiffen die ersten Kugeln an seinem Ohr vorbei.
Das Motorboot raste in höchster Geschwindigkeit den Fluß hinunter. Die Ebbe begann, und sie fuhren mit dem Strom. Aus dem Schatten der Towerbrücke löste sich ein Polizeiboot, und die Stimme eines Beamten rief sie an. Es lag mit der Breitseite gerade vor ihnen. Mawsey saß am Steuer und richtete die scharfe Spitze des Bootes gegen das Polizeifahrzeug. Gleich darauf ertönte ein furchtbares Krachen. Der Gegner war überrannt. Bevor Graham sich über die Ereignisse klarwerden konnte, sah er zwei Leute mit den Fluten kämpfen und hörte ihre schwächer werdenden Hilferufe.
Schnell zog er seine Uniform aus und warf sie ins Wasser. Darunter trug er Zivilkleider.
»Müssen wir den ganzen Weg auf dem Wasser zurücklegen?« fragte er und zog sich einen Regenmantel über.
»Nein, wir gehen in Deptford an Land. Sicher würden sie uns angreifen, bevor wir Greenwich erreicht hätten. Zur Zeit sind alle Telefone in Bewegung.«
Das Boot nahm Kurs nach dem Surrey-Ufer. Plötzlich verminderte es seine Geschwindigkeit. Ein Bootshaken klammerte sich an der Ecke einer Werft fest, die Spitze des Fahrzeugs wurde wieder dem Strom zugewandt, und nachdem alle es verlassen hatten, ließ man es stromabwärts treiben. Drei Autos warteten. Mawsey stieg mit einer viereckigen schwarzen Kiste in den zweiten Wagen ein.
Graham erkannte, daß es ein Taxi war, als er einstieg.
»Wir können nicht weit damit fahren!«
»Das brauchen wir auch nicht«, sagte Mawsey kurz. »Hier nehmen Sie die Kiste. Haben Sie eine Pistole?«
»Ich habe keine bei mir, auf dem Schiff habe ich eine.«
Mawsey erklärte ihm, was jetzt zu geschehen hatte.
»Ich verlasse Sie in Blackheath. Dort wartet ein anderer Wagen auf uns, und Sie fahren allein weiter. Der Chauffeur hat seine Instruktionen bekommen. Sie müssen vor Tagesanbruch an Bord der >Pretty Anne< sein. Wir schicken einen Mann mit einem Flugzeug nach Irland, um die Spur zu verwischen. Es wäre besser, wenn Sie eine Schußwaffe bei sich hätten.«
Graham sah auf das leuchtende Zifferblatt seiner Armbanduhr und war erstaunt, daß es erst halb zwei war. Was hatte sich in einer Viertelstunde alles ereignet!
Mitten in Blackheath hielt das Auto an, und sie stiegen aus. Ein langer, schwarzer Wagen stand an der Bordkante. Ohne ein Wort zu verlieren, sprang Graham hinein, legte sein kostbares Paket neben sich auf den Sitz und stützte sich darauf. Er wartete geduldig, bis der Wagen anfuhr. Plötzlich kam Mawsey noch einmal und reichte etwas durch das offene Fenster. Graham nahm es. Es war ein Helm, er fühlte die blanke Spitze. »Setzen Sie ihn auf, wenn Sie angehalten werden. Sie sind ein Polizeiinspektor, der nach Gravesend fährt, um Nachforschungen anzustellen. Gut Glück.«
Die Worte waren kaum gesprochen, als das Auto anfuhr.
Graham war schon oft in seinem Leben schnell gefahren, aber noch niemals hatte er eine Fahrt wie diese gemacht. Der Sportwagen
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