Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
063 - Das Verrätertor

063 - Das Verrätertor

Titel: 063 - Das Verrätertor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
gut kannte. Diese Tatsache half ihm, als er ihr sagte, daß er ihr etwas über ihre Herkunft mitteilen könnte.
    Wenn ein anderer Mensch, der ihr fremd war, gewagt hätte, dieses Thema zu berühren, hätte sie ihm mit einem verächtlichen Lächeln zugehört oder ihn schroff abgewiesen. Aber Colley war ein so merkwürdiger Mann, daß er Dinge sagen konnte, die aus dem Mund eines andern eine Beleidigung gewesen wären. Als er ohne Einleitung sich einfach kühn die Rechte eines Freundes ihr gegenüber herausnahm und ihr Vertrauen beanspruchte, war sie im Augenblick zu überrascht, um ihn zurückzuweisen. Bevor sie wußte, was vorging, erzählte er ihr mit dem größten Ernst, daß er Nachricht über ihren Vater erhalten habe.
    Um neun Uhr an diesem Abend ging sie zu ihrer eigenen Verwunderung die Villiers Street hinunter, wollte aber bei dem geringsten Anlaß umkehren. Aber es fand sich keiner. Schon von weitem sah sie Colley vor dem kleinen Restaurant warten und ließ sich von ihm an einen Tisch in dem wenig besuchten Lokal führen. Es sprach ihrer Meinung nach für ihn, daß er nur ein einfaches Essen bestellte und sofort, als der Kellner außer Hörweite war, seine Geschichte erzählte. Es klang alles sehr einleuchtend. Eine Frau aus einfachen Verhältnissen hatte einen Mann von höherem Stand geheiratet. Sie waren dann in Streit geraten und hatten sich wieder getrennt. Die Frau kehrte zu ihrer Beschäftigung als Sekretärin zurück, die sie vor der Hochzeit ausgeübt hatte. Sechs Monate, nachdem sie sich getrennt hatten, wurde Hope geboren, und da die Frau ihren Mann haßte, hatte sie das Gerücht verbreitet, daß sie und das Kind gestorben seien. Hopes Vater glaubte dies (wenigstens nach der erfundenen Erzählung Colleys) und heiratete zum zweitenmal. Nach dem Tod seiner ersten Frau entdeckte er dann zu seinem Schrecken, daß er in Bigamie gelebt hatte. Er durfte Hope nicht als sein Kind anerkennen, ohne das Lebensglück seiner Kinder aus zweiter Ehe zu gefährden. Deswegen hatte er Hope in allem Luxus aufwachsen lassen, ohne sie anzuerkennen.
    »Wirklich, liebe Hope«, sagte er, als er seinen Rotwein austrank, »ich konnte Ihren Vater nur mit großer Mühe dazu veranlassen, Sie zu sehen.«
    »Ich weiß nicht, ob ich ihn sehen möchte«, sagte Hope ruhig.
    »Ich dachte, das wollten Sie«, erwiderte er obenhin. »Aber so wie die Umstände jetzt liegen, wäre es töricht von Ihnen, wenn Sie sich diese günstige Gelegenheit entgehen ließen. Soweit ich unterrichtet bin, will Ihr Vater Ihnen alle Dokumente geben, die notwendig sind, um auch Ihrem schlimmsten Feind entgegentreten zu können.«
    »Wo ist er denn?« fragte sie. »Warum konnte er denn nicht hierherkommen?«
    »Es halten ihn viele Gründe ab«, sagte Mr. Warrington geschmeidig, »die er Ihnen ja alle persönlich erklären kann. Nicht der letzte ist, daß Sie ihm so sehr ähnlich sehen. Es wäre nicht möglich gewesen, daß Sie sich getroffen hätten, ohne daß der dümmste Anfänger gewußt hätte, daß Sie Vater und Tochter sind. Seine Motorjacht liegt in diesem Augenblick westlich der Londonbrücke vor Anker. Er hat sein Motorboot geschickt, um uns abzuholen, und wir werden in einer halben Stunde an Bord gehen.«
    Sie sah ihn entsetzt an.
    »Auf den Strom – bei Nacht – das ist unmöglich!« Colley zuckte die Schultern.
    »Ich dachte, es läge Ihnen etwas daran«, sagte er. »Und wirklich, ich kann Sie nicht tadeln. Ich will ganz offen mit Ihnen sprechen, Hope. Was für Eigenschaften ich auch besitzen mag niemand hat mir jemals meine Uneigennützigkeit vorgeworfen. Ich habe nichts von dieser Sache, weder Ehre noch Geld. Es kann mir letzten Endes ganz gleich sein, ob Sie ihn sehen oder nicht. Ich dachte, daß sein Plan dumm, selbst phantastisch sei, aber er ist einer der unglücklichen Menschen, die Wert darauf legen, was die Leute über sie sagen. Ich habe versucht, seine Eigenheiten zu berücksichtigen. Wenn Sie nicht weitergehen wollen, lassen wir die Sache auf sich beruhen.«
    »Aber ich muß seinen Namen wissen!«
    »Den werde ich Ihnen nicht mitteilen«, sagte Colley ruhig. »Es liegt nicht in meinem Interesse, sein Vertrauen zu mißbrauchen. Wenn er Ihnen seinen Namen sagt, gut. Es geht nur ihn etwas an.«
    Offensichtlich lag ihm nichts daran, denn er rief den Kellner, um seine Rechnung zu bezahlen, und er schien es eilig zu haben, die Sache in Ordnung zu bringen.
    »Ich will mitgehen«, sagte sie. »Wie kommen wir hin?«
    »Kennen Sie die Upper

Weitere Kostenlose Bücher