063 - Das Verrätertor
raste die Straßen entlang, er erkannte die Umrisse von Bromley. Sie näherten sich Gravesend, der Wagen bog nach links ab, fuhr eine holprige Landstraße entlang und dann in einem großen Bogen quer über ein Feld.
»Sie sind am Ziel!« Der Chauffeur riß die Tür auf, und Hallowell tappte in eine große Pfütze.
Es regnete heftig, er konnte nichts sehen, aber irgendwo in der Nähe war der Strom. Er konnte das Gurgeln und Plätschern des Wassers hören und die Nähe des Meeres. Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter.
»Diesen Weg!« sagte eine barsche Stimme, an der er Eli Boß erkannte. Es ging einen lehmigen Abhang hinunter, an dessen Ende ein kleines Motorboot heftig auf den Wellen schaukelte.
Er kletterte an Bord und setzte sich auf eine Bank. Das Boot legte sich schwer über, als die mächtige Gestalt von Eli Boß hinter ihm einstieg…
Er konnte jetzt die >Pretty Anne< sehen. Das Wasser reflektierte die grünen Strahlen des Steuerbordlichtes. Sie kamen näher und näher und erreichten endlich die herabgelassene Strickleiter, als sie am hinteren Teil des Schiffes entlangfuhren. Er ergriff das Tau mit einer Hand und kletterte unter großer Mühe mit seinem kostbaren Kasten auf das glatte, nasse Eisendeck. Eli Boß kam gleich hinter ihm nach oben. Graham hörte das Krachen und Quietschen der Winden und Flaschenzüge, als das Motorboot an Bord geholt wurde.
Unter seinen Füßen begann das Rattern einer Dampfmaschine, die schlecht in Ordnung war.
»Gehen Sie hinunter!« sagte Boß kurz. »Sie kennen Ihre Kabine? Die Schlösser sind angebracht. Auch der Safe ist da.«
In dem engen Gang brannte kein Licht, und er mußte sich seinen Weg suchen. Schließlich erreichte er seine Kabine und öffnete die Tür. Er stellte den Kasten auf den Boden und suchte nach dem Schlüssel. Erst als er sich eingeschlossen hatte, machte er Licht.
Beide Kabinenfenster waren mit Überfallklappen fest verschlossen. Eine Petroleumlampe hing an der düsteren Wand. Diese steckte er an, bevor er sein neues Heim besichtigte. Er sah, daß man wenigstens den rohen Versuch gemacht hatte, diese traurige Umgebung etwas zu verbessern. Ein ungerahmter Öldruck war an der Wand festgesteckt, und ein neues Tuch bedeckte den Tisch, der in der Mitte stand. In einer Ecke des Raumes erblickte er auch den Geldschrank, der an der Decke und am Boden mit starken Stahlklammern befestigt war. Es war seine erste Pflicht, die kostbare Beute darin zu verbergen. Als er die dicke Stahltür zugeschlagen hatte und alle Schlösser und Riegel befestigt waren, setzte er sich nieder und versuchte, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen. Der Dampfer fuhr vermutlich sehr schnell. Er konnte die Geschwindigkeit allerdings nur nach den schnellen, heftigen und geräuschvollen Bewegungen der Maschine beurteilen. Jetzt begann das Abenteuer. Er war gespannt, wie es enden würde. Was war mit Dick geschehen?
Er fühlte keine Reue, was auch aus seinem Halbbruder geworden sein mochte. Dick hatte ihn immer gehaßt, sagte er sich selbst. Dick, der doch etwas hätte tun können, um ihm sein hartes Los zu erleichtern. Würde er vor ein Kriegsgericht kommen?
Er hörte ein Klopfen an der Tür, einen schweren Fall und dann ein Kratzen.
»Wer ist da?« fragte er.
»Öffnen Sie, um Himmels willen, öffnen Sie!« rief eine hohle Stimme.
Graham eilte zur Tür, drehte den Schlüssel um, und als die Tür weit aufflog, brach eine blutüberströmte, nasse Gestalt zusammen und fiel zur Kabine herein. Er wich entsetzt zurück.
Es war Colley Warrington.
18
An diesem Nachmittag hatte Hope Joyner Augenblicke, in denen sie an ihrem Verstand zweifelte. Sie war so ratlos, daß sie Dick Hallowell um drei Uhr anläutete. Sie erfuhr aber nur, daß er auf Wache war.
Sie kannte Colley Warrington nicht näher als alle anderen Leute. Die Geschichte seiner früheren Taten war allgemein bekannt. Allmählich war Gras darüber gewachsen, aber es gab noch sehr viele Türen, die ihm verschlossen waren und sich ihm nie öffnen würden. Wenn sie Dick Hallowell gefragt hätte, würde Colley niemals über ihre Schwelle getreten sein. Er war durch den Fürsten mit ihr zusammengekommen, aber das wußte sie nicht. Sie glaubte vielmehr, seine Bekanntschaft nur dem zufälligen Umstand zu verdanken, daß er mit einem Mitglied des indischen Komitees befreundet war.
Man wußte von Colley, daß er eine umfassende Kenntnis der Londoner Gesellschaft besaß und auch andere Kreise, die außerhalb derselben lagen,
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