063 - Das Verrätertor
benutzt wurde. Hier drängten sie sich hinein.
»Treten Sie dicht zu mir«, flüsterte er Graham ins Ohr. »Wenn ich Ihren Bruder zu Fall bringe, treten Sie sofort an seine Stelle.«
Als er um die Ecke spähte, sah er den Schimmer einer Laterne. Es war Dick, der die Runde machte, um die Wachen zu inspizieren. Er schien von der Uferseite zu kommen und wollte jetzt wohl zur Hauptwache zurück. Sie kamen mit großen Schritten vorbei, ein Trommler ging mit einer Laterne voraus, dann folgten zwei Mann und ein Unteroffizier, und schließlich kam Dick. Sie passierten den Torweg.
»Jetzt!« zischte eine Stimme in Grahams Ohr.
Er vernahm keinen Ton, aber Dick schien plötzlich zusammenzusinken. Im nächsten Augenblick hatte Graham seine Stelle eingenommen. Einer der Leute vor ihm drehte sich halb um, als ob er ein Geräusch gehört hätte.
»Sehen Sie geradeaus!« sagte Graham scharf, genau in demselben Ton, den er von Dick her kannte. Dann kommandierte er: »Halt!«
Sie hatten das Schilderhaus gegenüber dem Verrätertor erreicht. Der Sergeant trat aus der Reihe und ging auf den Mann zu, der halb im und halb außer dem Haus lag.
»Was ist mit dem Mann, Sergeant?« fragte Graham rauh.
»Ich weiß nicht, Herr Oberleutnant. Wach auf!« Er schüttelte den bewußtlosen Mann. »Es ist Filpert, er sieht aus, als ob er betrunken ist.«
»Bringen Sie ihn zum Wachtturm.«
Die beiden Leute hängten das Gewehr über die Schulter und versuchten, den Mann aufzurichten. Ein Geruch von Alkohol verbreitete sich. Plötzlich bückte sich der Sergeant und hob eine kleine Flasche auf.
»Whisky!« sagte er, als er daran roch.
»Bringen Sie ihn in den Wachtturm!«
»Soll ich einen von diesen Leuten als Posten hierlassen?«
»Nein, das ist im Augenblick nicht notwendig.«
Sie marschierten durch das Tor. Kühn folgte er der Truppe ins Wachzimmer, keiner dort hätte Graham Hallowell von seinem Bruder unterscheiden können. Dick trug einen kleinen dunklen Schnurrbart, und genau derselbe war nun auf Grahams Oberlippe zu sehen. Er war in der Zwischenzeit gewachsen.
Der Sergeant folgte seinem >Offizier< in den Raum.
»Man stellt am besten einen anderen Posten an Stelle Filperts auf«, sagte er.
»Das ist nicht notwendig«, sagte Graham kurz.
Der Unteroffizier schaute überrascht auf, aber er wagte keinen Widerspruch. Graham war allein auf der Veranda, nur der Posten ging auf und ab. Er trat zu dem Mann, der Gewehr bei Fuß stillstand, als Graham sich näherte.
»Willst du Schokolade haben, Mann?«
Der Posten zögerte ein bißchen verdutzt. Die Offiziere der Berwick-Garde gingen gewöhnlich nicht mitten in der Nacht umher und boten ihren Untergebenen Schokolade an.
»Danke, Sir!« stammelte er.
Graham beobachtete, wie er sie in den Mund steckte, sie mechanisch zweimal kaute und seine Hand auf die Kehle legte… Er fing schnell das Gewehr auf, bevor es auf den Boden fiel, und ließ den Mann behutsam niedergleiten. Es kam kein Ton aus dem Wachzimmer. Er zog den Mann an das äußerste Ende der Veranda, legte ihn in eine Ecke und eilte dann zu dem unteren Weg. Die Schildwache hörte ihn kommen, und das Rasseln eines Gewehres warnte ihn.
»Fragen Sie nicht nach der Parole«, sagte er. »Ich bin Sir Richard Hallowell.«
Der zweite Posten nahm die Schokolade mit Widerwillen.
»Ich esse keine Schokolade, Sir.«
»Wollen Sie wohl – «, sagte der Offizier, und er gehorchte.
Der Mann mit der Gasmaske fing ihn auf, als er umsank.
»Gehen Sie wieder zur Tür des Wachraumes, falls der Sergeant herauskommt, und halten Sie ihn im Gespräch auf«, hörte Graham eine leise Stimme flüstern. Mit kurzem Nicken ging er zurück. Es war gut so, denn kaum stand er dort, als sich die Tür öffnete und der Sergeant herauskam.
»Ich bin sehr unruhig wegen des Postens«, sagte er. »Das Reglement für die Bewachung der Schatzkammer ist sehr streng, und ich muß es morgen in meinen Rapport aufnehmen.«
»Es ist schon in Ordnung, Sergeant«, sagte Graham kühl. »Mr. Longfellow ist eben gekommen, und ich habe ihn gebeten, es dem Adjutanten zu melden. Ich würde mich nicht weiter in die Sache mischen, wenn ich an Ihrer Stelle wäre.«
»Glauben Sie, Sir, daß irgend etwas geschehen ist?« fragte der Sergeant. »Ich kann nicht verstehen, woher der Mann den Whisky hat. Die Leute auf der Wache erzählen mir, daß er Abstinenzler ist.«
»Es mag verschiedenes geschehen sein«, antwortete Graham nach einer Pause. »Aber es ist besser, wenn Sie sich nicht
Weitere Kostenlose Bücher