0630 - Das Tengu-Phantom
Mordmaschine. Der Mann in der Gondel hat Glück gehabt. Wir haben den Kollegen gesagt, dass sie ihn aus dem Zimmer holen können. Die werden staunen, wenn sie seine Aussage hören.« Suko fing damit an, den Tengu sehr genau zu beschreiben.
Sir James und Winston Crawford hörten zu. Beide konnten mit der Beschreibung nicht viel anfangen.
»Ich habe ihn nicht gesehen«, erklärte Crawford. »Ist es nicht auch so, dass er verschiedene Gestalten annehmen kann?«
»Leider.«
»Dann ist der Tengu ein Geist?«
Ich nickte zu Sir James hinüber. »Davon gehen wir aus. Ein absolut böser, schlimmer Geist. Das ist Kataya, das wir leider auch schon kennen gelernt haben.«
»Das Böse, die schwarze Seele«, flüsterte Suko. »Ohne Licht, aber im Tengu steckend.« Er schüttelte sich, als hätte jemand Wasser über seinen Kopf rinnen lassen. So hatte ich meinen Freund selten erlebt. Sein Blick war ins Leere gerichtet. Wahrscheinlich dachte er über unsere nahe Zukunft nach.
Da gab es wirklich keinen Grund, auch nur zu lächeln. Sie sah mehr als düster aus…
***
Wales begrüßte uns mit einem weiten Himmel, dicken Regenwolken, einer traurigen, sentimental wirkenden Landschaft aus Hügeln, Bergen, Seen und Wäldern.
Ein großes, weites Land, sagenschwer, das zwar zu Großbritannien gehört, sich seine Eigenständigkeit aber bewahrt hatte, was sich in den gälischen Namen der Orte ausdrückte und auch in der Sprache der Menschen, die in diesem für uns fremden Dialekt redeten.
Wir waren einen Teil der Nacht über gefahren, hatten gelost, ich verlor, so mussten wir den Rover nehmen.
Wir wollten nicht zusammen mit Winston Crawford eintreffen, es sollte ganz offiziell nach einem Besuch aussehen.
Bis Carmarthen brauchten wir nicht zu fahren. Crawford hatte uns den Weg genau aufgezeichnet, wir mussten vor diesem größeren Ort abbiegen und in die Einsamkeit der Landschaft hineinrollen, die uns so menschenleer vorkam.
Dörfer oder Ansiedlungen bekamen wir kaum zu Gesicht. Und wenn, dann waren sie weit verstreut, ebenso wie die einsam stehenden Bauernhöfe aus dicken Steinmauern und den windschiefen Ställen, die der Gewalt der Orkane kaum getrotzt hatten.
Wer in dieser Einsamkeit unterrichtete, war zu bedauern. Hier konnte man nichts anders tun, als zu lernen. Abwechslung gab es hier nicht. Die Gegend bestand nur aus Landschaft.
Etwa zehn Meilen vor dem Ziel hielt Suko und deutete nach vorn.
Wenn wir vom Weg abfuhren, gelangten wir zu einem See. Er lag zwischen den winterlichen Wiesen wie gekräuseltes Blei. Hinter ihm wuchsen mächtige Steinberge in die Höhe, die dort standen wie eine trutzige Wand und ein Landeplatz für Raubvögel waren.
Suko hatte nicht nur den See gemeint, sondern die Anzahl der kleinen Häuser an seinem Ufer. Kühe weideten friedlich neben Schafen. Am Ufer lagen Boote.
»Da willst du hin?«
»Ja, um meinen Hunger zu stillen. Möglicherweise erfahren wir etwas über die Schule.«
»Und den Tengu.«
Suko bewegte die Stirn. »Du bist Optimist.«
»Fahr schon los.«
In Schlangenlinien wand sich der Pfad weiter. Der Rover glich einem schaukelnden Kasten. Er glich die Unebenheiten des Bodens nur sehr mühsam aus.
Die Kinder sahen uns zuerst. Drei von ihnen standen nebeneinander und schauten dem Wagen entgegen. Sie wirkten wie Zwerge. Wir rollten an ihnen vorbei. Ich lächelte den dreien durch die Scheibe zu.
Zwischen Ufer und den Häusern hielten wir an. Ein Mann kam uns entgegen. Er war groß und stark, die hellen Augenbrauen in seinem Gesicht sahen aus wie angeklebt.
»Was wollen Sie?«, fragte er zur Begrüßung und redete englisch.
»Vielleicht etwas zu essen.«
»Warum?«
»Wir haben Hunger«, sagte Suko.
Der Mann überlegte. »Sie müssten allerdings zahlen. Wir sind nicht sehr reich.«
»Gern.«
»Kommen Sie mit.«
Wir folgten ihm in eines der Steinhäuser. Der Türbalken war sehr niedrig, sodass wir uns ducken mussten. Ein großer Raum, die Küche, nahm uns auf. Im offenen Steinkamin flackerte ein Feuer.
Nahe der Fenster stand ein großer, klobiger, viereckiger Holztisch. An ihm saß eine Frau mit starrem Gesicht und ließ die Perlen eines Rosenkranzes durch ihre Finger gleiten. Ich sah sofort, dass sie geweint hatte, fragte aber nicht nach dem Grund. So unhöflich wollte ich nicht sein.
Auch wir durften uns am Tisch niederlassen. Die Frau schaute nicht auf. Ihre blassen Lippen bewegten sich, als sie die leisen Gebete sprach. Der Mann brachte Brot und Milch.
Ich legte eine
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