0630 - Minotaurus aus der Hölle
hatte. Jetzt brauchte er sich zumindest darum nicht mehr zu kümmern. Jetzt war es an der Zeit, sich selbst in das Labyrinth zu begeben und es so zu steuern, daß die Opfer Stygias Ungeheuer in die Fänge getrieben wurden.
Hoffentlich hatte sie es geschafft, die Bestie inzwischen in dem Irrgarten unterzubringen.
Er beachtete die anderen Menschen nicht mehr, die sich in Zamorras Nähe befunden hatten. Sie waren für ihn unwichtig geworden.
Er ritt den sich schließenden Zugang ab und erreichte auf diese Weise wieder die Höllen-Tiefen, in denen sich an einer nicht exakt definierbaren Stelle das Labyrinth befand. Er sah die neue Situation, verschaffte sich einen raschen Überblick.
Zamorra und die beiden Frauen waren bereits in das System integriert.
Das Ungeheuer war da.
Und auch Stygia bewegte sich innerhalb des Labyrinths, nur war sie selbst nicht an die Begrenzungen gebunden. Das würde ihr im Extremfall nicht sehr viel helfen.
Es schützte sie nur gegen Manipulationen des Labyrinths. Nicht aber gegen die Bestie, die sie geschaffen hatte, und auch nicht gegen Zamorra, wenn er ihr direkt gegenüberstand, ohne daß eine virtuelle Mauer zwischen ihnen war.
Unwillkürlich grinste Calderone.
Das war etwas, das er nicht bedacht hatte, aber jetzt hegte er auch nicht mehr die Absicht, Stygia darüber zu informieren, in welche Gefahr sie sich begab. Sie schien sich völlig sicher zu fühlen.
Sollte sie ruhig…
Wenn sie die Begegnung überstand und ihm Vorwürfe machte, konnte er diesem Vorwurf entgegnen, daß ja niemand sie gezwungen hatte, sich selbst während der entscheidenden Phasen ins Labyrinth zu begeben. Außerdem konnte er ja nicht wissen, wie intensiv Magie und Elektronik sich verquickten!
Wieder lachte er leise.
Er griff nach dem Helm und setzte ihn auf.
Dann loggte er sich in den Cyberspace ein.
***
Innerhalb weniger Augenblicke war das Labyrinth um Zamorra herum entstanden. Die Gänge waren schmal und boten ihm wenig Bewegungsfreiheit. Den Weg zurück konnte er nicht entdecken; auch das Amulett half ihm hier nicht weiter.
Warum war das Labyrinth entstanden?
Als Gefängnis für ihn?
Oder wartete jetzt irgendwo in seinem Innern ein Monster auf ihn, wie einst der Minotaurus auf Theseus und vor diesem auf viele andere Opfer gewartet hatte?
Was ihn auch jetzt wieder erstaunte, war, daß er kaum einen Hauch von Magie feststellen konnte. Wie war dann eine solche Veränderung seiner Umgebung möglich?
Er sah sich um und beging nicht den Fehler, sich von diesem Platz fortzubewegen. Er schätzte den ihm zur Verfügung stehenden Platz ein -und stellte fest, daß der Platz gerade so reichte.
Er lehnte sich mit dem Rücken gegen eine der Wände. Dann hob er erst das rechte, dann das linke Bein an, stemmte die Füße gegen die gegenüberliegende Wand. So fand er relativ festen Halt.
Er stemmte auch Arme und Hände gegen die Wand hinter sich, schob seinen Oberkörper langsam empor, streckte die Beine wieder, um Halt zu finden, und setzte dann die Füße ein Stück höher.
So arbeitete er sich empor, bis er schließlich die Mauerkante erreichte. Jetzt war es nur noch eine Frage der Geschicklichkeit, sich nach oben zu schwingen.
Im nächsten Moment lag er bäuchlings auf der Mauerkrone.
Er entspannte sich. Die Kletterpartie hatte Kraft erfordert. Aber er hatte es geschafft, war jetzt oben. Wenn der Minotaurus oder sonst ein Monster unten durch die Gänge tappte, war Zamorra unerreichbar geworden. Im Gegenteil; er konnte sich oben orientieren und nicht nur feststellen, wo er war, sondern auch nach Nicole und Eva suchen. Er war sicher, daß die sich ebenfalls irgendwo in dem Labyrinth befanden.
Und von hier oben fand er dann möglicherweise einen Ausgang.
Dachte er.
Nach ein paar Atemzügen erhob er sich, balancierte auf der Mauerkrone und drehte sich langsam um.
Und sah entsetzt das Ungeheuer, das sich nicht unten durch die Gänge des Labyrinths bewegte, sondern oben auf den Mauern.
Es hatte ein Ziel.
Ein verdammt wehrloses Ziel.
Viel zu weit von Zamorra entfernt, um helfen zu können…!
***
Lafitte und Mostache sahen William nach, wie er den Hang hinauf zum Château fuhr. Pascal Lafitte atmete erst auf, als er sah, wie der Wagen weit oben durch das Tor in der Schutzmauer fuhr. Erst jetzt war er sicher, daß dem Butler nichts geschah. Denn jetzt befand der sich innerhalb der durch Weiße Magie geschützten Zone.
»Die Gefahr scheint vorüber zu sein«, sagte Mostache. Aber seine Stimme
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