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0630 - Minotaurus aus der Hölle

0630 - Minotaurus aus der Hölle

Titel: 0630 - Minotaurus aus der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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dir jemand die Augen zubinden und dich dann ein Dutzend Male um deine eigene Achse drehen. Danach weißt du auch beim besten Willen nicht mehr, woher du kommst oder wo Norden und Süden sind.«
    »Selbst wenn du recht hättest«, murrte Eva, »da oben steht die Sonne. Daran orientiere ich mich ebenfalls.« Sie streckte den Arm aus und deutete nach oben, zum roten Himmel über dem Labyrinth.
    Nicole sah die Bewegung eher aus dem Augenwinkel. »Falsche Richtung!« stieß sie hervor. »Die Sonne steht…«
    Sie stutzte, sah nach oben. Sie sah die Sonne vor sich über dem Labyrinth.
    Drehte sich um, folgte der Richtung, die Eva angab.
    Sie sah die Sonne vor sich über dem Labyrinth.
    »Das gibt's doch nicht«, stieß sie hervor. »Ich habe sie in der anderen Richtung gesehen. Warte mal…«
    Langsam drehte sie sich, ließ dabei den Feuerhimmel nicht aus den Augen. Während sie sich drehte, wanderte die trübgelbe Sonne, deren Licht nicht blendete, langsam aus ihrem Sichtfeld. Schließlich war Nicole sicher, daß sie sie nach einer 180°-Drehung komplett hinter sich hatte.
    Für nur eine Sekunde schloß sie die Augen und öffnete sie dann wieder, ohne dabei ihre Position verändert zu haben.
    Die Sonne stand vor ihr über dem Labyrinth.
    Blitzschnell fuhr sie herum.
    Blinzelte.
    Und sah die Sonne wiederum vor sich da oben.
    Als sie dann in kurzen Winkeln immer wieder nach oben schaute, machte die trübe Funzel die Drehbewegung schrittweise mit…
    »Soviel also zum Stand der Sonne«, brummte Nicole. »Darauf kannst du dich hier noch weniger verlassen als auf dein Gefühl für Himmelsrichtungen, und das täuscht ohnehin meistens, wenn man sich in einer fremden Welt aufhält. Hier gibt es überhaupt keine Himmelsrichtungen, Eva! Das entspricht dem, was wir festgestellt haben, ehe das Labyrinth entstand.«
    »Aber die Schatten…«
    »Siehst du Schatten?« fragte Nicole. »Hier unten ist alles gleich dunkel. Aber…«
    Natürlich! Zumindest schmale Lichtbalken mußten an den Mauern erkennbar sein. Immerhin stand die Sonne hoch genug, um gesehen zu werden. Also mußte auch ihr Lichtschein in genügend großem Winkel einfallen!
    Was er aber nicht tat…
    »Mir fällt da etwas ein«, sagte Eva. »Halte mich für verrückt, aber - dein Plan mit dem Abbiegen in nur immer einer einzigen Richtung hat hier einen Haken. Wenn es keine Richtungen gibt, dann können wir noch so oft richtig abbiegen und kommen trotzdem nirgendwo an.«
    Nicole atmete tief durch.
    »Oder wir müßten gleich beim ersten Mal nach draußen kommen…«
    »Das widerspräche dem Sinn eines Labyrinths«, erwiderte Eva. »Nein, wir sitzen hier endgültig fest. Ganz gleich, ob wir nur nach rechts gehen, oder nur nach links - es spielt nicht die geringste Rolle. Wir bewegen uns immer in die gerade falsche Richtung.«
    »Es gibt noch eine Möglichkeit«, sagte Nicole.
    »Und die wäre?«
    Die Französin wies nach oben.
    »Keine Ahnung, warum ich nicht gleich daran gedacht habe. Das Labyrinth ist nach oben offen. Das heißt, es gibt eine Richtung, in der wir auf jeden Fall hinauskommen.«
    »Du meinst - klettern?«
    »Auf die Mauerkrone. Dann bewegen wir uns eine Ebene höher, werden nicht mehr durch die Wände behindert und können sehen, ob wir vorwärts kommen oder nicht.«
    »Ist aber ziemlich hoch«, sagte Eva. »Ich schätze, vier Meter werden es sein. Das schaffen wir nicht.«
    »Wir beide vermutlich nicht«, sagte Nicole. »Aber eine von uns. Du kletterst über mich nach oben. Du stellst dich auf meine Schultern, notfalls auf meine Hände, und ich schiebe dich höher. Dann wirst du irgendwann die Oberkante der Mauer erreichen und kannst dich hinauf ziehen.«
    »Ich weiß nicht«, überlegte Eva.
    »Bist du nicht schwindelfrei? Oder schaffst du keine Klimmzüge?«
    »Das ist es nicht«, sagte Eva. »Ich könnte auch dich nach oben drücken. Aber damit ist nur eine von uns auf der Mauer. Wenn ich oben bin, kann ich dich keinesfalls hinaufziehen. Und du könntest es bei mir ebensowenig. So lange Arme haben wir beide nicht.«
    Nicole nickte. »Aber du könntest von oben her sehen, wo wir uns befinden, und mich lenken. Ich würde dir hier unten folgen.«
    »Du willst ja nur im Schatten bleiben. Ich kann mir da oben ruhig ’nen Sonnenbrand holen«, schmunzelte Eva.
    »Also, wie sieht es aus?«
    »Ich gehe nach oben«, versprach Eva.
    Und die Kletterpartie begann.
    ***
    Calderone hatte den Zugang wieder geschlossen. Diesmal war er sicher, daß er Zamorra erwischt

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