0632 - Syndikat der toten Augen
der Zeuge. Seinen Aussagen zufolge hatte ein großer, weißhaariger Gast den Pub betreten, war zur Theke gegangen und hatte dort zwei Kugeln zu Boden geworfen, die schon beim ersten Aufprall zerplatzt waren. Danach war dann für alle Gäste und Angestellte das Licht ausgegangen.
»Die Teile der Kugeln haben wir gefunden«, erklärte der Captain. »Sie sind schon aufgesammelt worden.«
»Haben Sie noch etwas gesehen?«, fragte ich.
»Nein.«
»Das reicht auch«, meinte Suko.
Der Captain hatte spitze Ohren bekommen. »Es hört sich an, als würden Sie den Kerl mit den weißen Haaren kennen. Stimmt das?«
»Möglich.«
»Sie wollen nicht reden, wie?«
»Hören Sie, Captain«, sagte Suko, »das ist unser Fall. Wir werden uns darum kümmern.«
Der Officer verzog das Gesicht, als hätte man ihm Essigwasser in den Mund gekippt. »Das hat sich ja herumgesprochen. Wir machen die miese Arbeit, und ihr schöpft den Rahm von der Suppe ab. Das finde ich überhaupt nicht gut.«
»Es stört uns nicht einmal«, erklärte ich. »Aber ich will Ihnen etwas sagen. Erinnern Sie sich an den Namen Aristoteles Leonidas, den Griechen, dessen Tochter durch eine Kugelgarbe vom Rand eines Daches geholt worden ist?«
»Ja, natürlich.«
»Wunderbar. Er steckt hinter diesen Vorgängen. Denken Sie nach, Mann! Das kann eskalieren, und wir müssen ihn stoppen. Wollen Sie mal den Rahm abschöpfen?«
»Nicht unbedingt.«
»Na also.«
Suko zog mich zur Seite. »Es sieht nicht gut aus, John. Irgendwie muss es aber weitergehen. Nur wie?«
»Weiß ich nicht.«
»Ehrlich?«
Ich nickte. »Uns sind die Hände gebunden. Aber ich weiß eines: Leonidas hat Bill nicht grundlos entführt. Erinnere dich an den Fall mit den Einhörnern. Irgendetwas in dieser Richtung hat der Kerl bestimmt vor. Nur steht er jetzt nicht allein, sondern hat die nötige Unterstützung durch irgendwelche Helfer bekommen.«
»Die Psychonauten?«
Ich schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Das weiß ich eben nicht. Leonidas will sich zum Führer dieser Gruppe aufschwingen. Er hat bereits einen Weg gefunden, um an die Menschen heranzukommen. Nur frage ich mich, ob die Psychonauten tatsächlich so dumm sind und sich unter sein Kommando stellen. Ich kenne sie, ich habe sie anders eingeschätzt, damals in Griechenland.«
»Du weißt selbst, dass es Mittel und Wege gibt, Menschen zu überzeugen.«
»Stimmt. Nur nicht die Psychonauten. Das ist eine besondere Gruppe von Menschen.«
Suko hob die Schultern. »Also werden wir auf eine Reaktion des Griechen warten müssen.«
»So ist es.«
»Wie könnte die aussehen?« Suko gab sich gleich selbst die Antwort. »Er wird sich mit uns in Verbindung setzen und seine Bedingungen stellen. Das ist es.«
»Denke ich auch.«
Es war wie aufs Stichwort. Jemand hatte das Telefon wieder normal hingestellt. Als es sich meldete, hob ein Kollege ab, der kurz zuhörte und dann einen Blick in die Runde warf.
Er entdeckte uns und winkte.
»Das ist er, Suko!« Ich sprintete hinter die Theke, wurde da ruhiger und meldete mich mit meinem Namen.
Ich hörte ein Lachen. Leise, dennoch scharf, zischend und irgendwo auch gemein.
»Leonidas?«
»Richtig, Sinclair, richtig. Ich bin es. Jetzt raten Sie mal, wen ich bei mir habe.«
»Kann ich mir gut vorstellen.«
»Es geht ihm eigentlich gut, abgesehen von einer gewissen Schwäche. Sie können dafür sorgen, dass dies so bleibt. Sein Zustand kann sich verschlechtern oder gleich bleiben. Es liegt ganz an Ihnen, Sinclair.«
»Was soll ich tun?«
»Zunächst die Ruhe bewahren.«
»Keine Sorge, wir drehen nicht durch.«
Er lachte wieder. Diesmal lauter. »Einmal hat es nicht geklappt. Meine kleinen Freunde haben leider versagt. Aber einmal ist keinmal. Ich habe einen erneuten Anlauf genommen, Sinclair. Ich bin gut gerüstet. Ich werde der Welt mit einem Paukenschlag entgegentreten.«
»Kommen Sie schon zur Sache!«
»Gemach, gemach. Ich weiß ja, dass Sie es eilig haben, aber was soll ich erst sagen. Ich habe meine Tochter verloren. Meine Rache ist wie ein Feuer. Er brennt in mir, denn es wird bei jedem Gedanken an meine Tochter neu entfacht. Ich habe mich nicht zu Panikhandlungen hinreißen lassen, meine Schritte sind genau durchdacht. Ich werde Ihnen den ersten mitteilen.«
Inzwischen hatte sich Suko neben mich gestellt. Ich hielt den Hörer etwas ab, damit er unserer Unterhaltung mitbekam. »Was soll ich tun?«
»Du und der Chinese, Sinclair, nicht du allein. Ihr werdet euch in
Weitere Kostenlose Bücher