0633 - Wenn Druidenseelen trauern
Es ist etwas geschehen, Colette. Möglicherweise wurde auf der Ile de Sein eine alte Legende wahr.«
Sie schauderte und schüttelte sich leicht. »Wenn ich daran denke, habe ich keine große Lust, wieder nach Hause zu fahren. Außerdem muss ich meinen Dienst in Rennes…«
»Das wirst du später alles noch können, Colette.«
»Ja, falls wir überleben.«
»Zweifelst du daran?«
»Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Es ist mit einem Mal alles so anders geworden. Ich bin mir nicht sicher, wie ich mich verhalten und ob ich diesem Geist glauben soll.«
»Er will dir nichts Böses, Colette. Wäre das der Fall gewesen, hätte er dich nicht beschützt.«
Sie schüttelte den Kopf, lachte und sprach gleichzeitig. »Weißt du, was ich an dir bewundere, John?«
Ich winkte ab. »Hör auf, gar nichts.«
»Doch. Deinen unerschütterlichen Optimismus, trotz deines Jobs, der ja aus dem Rahmen fällt.«
Ich öffnete die Tür. »Vielleicht gerade deshalb, Colette. Irgendwo muss man sich seine Kraft herholen, um weitermachen zu können. Da bleibt mir nur der Optimismus, und außerdem kostet der nichts. Man muss nur daran glauben…«
***
Langusten, andere Meeresfrüchte, Sand und Wind pur, dafür war die westliche Ecke der Bretagne berühmt. Den besten Hummer der Welt sollte es hier geben, wovon ich mich hatte überzeugen können, denn wir waren in Audierne auf ein Schiff gestiegen, das uns zur Ile de Sein bringen sollte.
Die Fahrzeit dauerte eine gute Stunde. Die Fähre kam gut voran, denn das Meer zeigte sich an diesem Tag nicht von seiner stürmischen Seite.
Zwar war der Wellengang verhältnismäßig hoch für meinen Geschmack, doch die Fahrgäste lachten darüber. Sie waren anderes Wetter gewohnt.
Ich war der einzige Fremde auf dem Schiff. Colette hatte einige Bekannte begrüßt, denn hier kannte jeder jeden. Außerdem stammten zahlreiche Fahrgäste von der Insel, die sich auf der Rückfahrt befanden.
Wir saßen unter Deck, wo in einem kleinen Restaurant auch Imbisse serviert wurden.
Auf Empfehlung Colettes hin hatte ich mir einen Langustensalat mit Möhren, Tomaten und Nussöl bestellt, trank dazu einen Weißwein und ließ es mir gut gehen, denn ich gehöre zu den Menschen, die auf einer Seereise essen konnten und dieses Essen auch bei sich behielten. »Er ist wirklich gut«, lobte ich den Salat und gleichzeitig auch Colette. »Eine tolle Empfehlung.«
Sie schüttelte nur den Kopf. »Dass du so essen kannst, begreife ich nicht.«
»Wieso?«
»Schließlich liegt etwas vor uns.«
Ich winkte ab. »Das schaffen wir schon. Wir haben schließlich auch das hinter uns Liegende geschafft.«
»Ja, da sagst du was.«
Es war alles glatt gelaufen, Sir James hatte keine Einwände gehabt, nur die Reise war etwas schwierig gewesen. Wir hatten sie mit der Bahn unternommen, denn fliegen und anschließend einen Leihwagen nehmen war nicht drin. Diese Fähre transportierte keine Autos, hatte ich mir sagen lassen.
Colette fühlte sich unbehaglich. Sie rutschte auf dem Stuhl hin und her und scheuerte manchmal mit den Händen über den Stoff der Jeansjacke. Ich aß in Ruhe, obwohl mir ihre Nervosität auffiel.
Schließlich fragte ich nach dem Grund.
»Es ist komisch, John. Nicht allein, dass wir jetzt auf die Insel fahren, nein, da spielt noch eine andere Tatsache mit.«
»Welche?«
»Die Leute schauen mich alle so komisch an. Zumindest die, die mich kennen.«
»Täuschst du dich da nicht?«
»Nein, auf keinen Fall. Ich versuche die ganze Zeit über, ihre Blicke zu deuten.«
»Und? Ist etwas dabei herausgekommen?«
»Ja, sie sind anders als sonst. So traurig und gleichzeitig mitfühlend.«
Ich lächelte über meine Gabel hinweg. »Bildest du dir das nicht ein?«
»Auf keinen Fall, John. Ich kenne die Menschen hier. Sie schauen sonst anders.«
»Wie denn?«, erkundigte ich mich lächelnd.
»Einfach anders - freundlicher oder so. Sie kommen mir vor, als dächten sie, ich hätte etwas Schlimmes getan.«
»Wenn du den einen oder anderen kennst, schlage ich vor, ihn zu fragen.«
»Das werde ich auch.« Mit einem Ruck stand sie auf.
Ich blieb am Tisch sitzen, aß weiter, nippte hin und wieder am herrlich trockenen Weißen und schaute durch die Scheibe auf das Wasser.
Gischt war an den Seiten des Schiffes in die Höhe geweht worden und hatte ein Muster aus Tropfen und langen Wasserfäden an den Scheiben hinterlassen.
Eine sehr lange Dünung trieb gegen das Schiff, sodass es zu kämpfen hatte, um sich seinen
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