0633 - Wenn Druidenseelen trauern
Weg zu bahnen. Der Himmel war an manchen Stellen superblau, und zwar dort, wo nicht die riesigen, schneeweißen Wolkenberge die Bläue verdeckten.
Viele Maler und Schriftsteller haben von der Weite der Bretagne geschwärmt, vom Licht, vom hohen Himmel, und sie hatten nicht geflunkert.
Das letzte Stück Langustenfleisch verschwand in meinem Mund. Ich spülte mit Wein nach und war zufrieden. In ungefähr einer halben Stunde würden wir die Insel erreicht haben.
Die Bewohner dort lebten vom Langustenfang, auch wenn dieser nicht mehr so gut ausfiel wie früher, denn die verdammte Umweltverschmutzung machte vor nichts Halt.
Colette war noch nicht zurück. Da ich relativ ungünstig saß, drehte ich mich um. Ich entdeckte sie nicht, wurde aber von einigen Leuten mit kalten Blicken bedacht, die man auch als neutral bezeichnen konnte.
Irgendetwas war hier nicht in Ordnung, das Gefühl hatte ich. Sollte Colette mit ihrem vagen Verdacht Recht behalten haben? War man bereits - durch welche Informationen auch immer - über unsere Ankunft informiert worden?
Ich wusste es nicht, sah aber an der Tür Bewegung, als Colette wieder erschien. Sie musste wohl auf einer der Toiletten gewesen sein. Ich wollte mich wieder umdrehen, als mir ihr Gang auffiel. Er war staksig und schwankend zugleich.
Da stimmte etwas nicht…
Rasch stand ich auf, um ihr entgegenzugehen. Sie hatte den Tisch schon erreicht.
Colette weinte leise. Wie eine Schlafwandlerin ließ sie sich auf den Stuhl sinken und starrte ins Leere.
»Was ist los mit dir?«
Sie nickte, dann sprach sie. »Ich weiß jetzt, weshalb die Leute mich so komisch angeschaut haben, jetzt weiß ich es.«
»Und weshalb?«
»Sie sagten mir, dass ich zu spät gekommen wäre. Er - er ist gestern begraben worden.«
»Wer denn?«
Sie schaute mich mit einem gläsern wirkenden Blick an und flüsterte kaum hörbar: »Mein Großvater…«
Ich schloss die Augen. Ein Schauer rann über meinen Rücken. Mit einer derartigen Nachricht hätte ich nie gerechnet. War es Zufall, oder steckte dahinter Methode?
Ich bevorzugte die letztere Alternative.
Colette saß mir gegenüber wie festgefroren. Auf ihrer Gesichtshaut schienen winzige Eiskörner zu sitzen. Blutleer wirkten die Lippen. Nur die Augen und deren unmittelbare Umgebung waren gerötet. Mit einem Taschentuch wischte sie durch die Ecken.
»Gestern war die Beerdigung?«
»Ja.«
»Weshalb hat man dir nichts davon gesagt? Man hätte versuchen können, dich zu benachrichtigen.«
Sie schaute mich traurig und auch ein wenig bedauernd an. »John, die Insel ist nicht Paris oder London. Da sind die Menschen anders, auch die Umwelt ist eine andere und die Gegebenheiten dort. Ich glaube, dass es nicht einmal ein Telefon dort gibt. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern.«
Ich legte meine Hand auf die ihre. »Dass dein Großvater tot ist, Colette, tut mir sehr leid für dich, aber wir müssen jetzt nach vorn schauen. Ich weiß nicht, wie alles zusammenpasst, das Erscheinen des Geistes, der Tod deines Großvaters. Ich gehe allerdings davon aus, dass eine Verbindung existiert. Ich bin davon sogar überzeugt und möchte gern wissen, wie dein Großvater starb.«
»Seine Frau fand ihn.«
»Ist er gewaltsam ums Leben gekommen?«
Sie hob die Arme und ließ sie wieder sinken. »Das hat man mir nicht gesagt, doch werde ich das Gefühl nicht los, dass man mir indirekt die Schuld an seinem Tod gibt.«
»Das ist Unsinn.«
»Denke ich auch, aber ich hörte Bemerkungen wie: Du gehörst zu denen da. Du gehörst nicht mehr zu uns.«
»Was meinten sie damit?«
»Kann ich dir auch nicht sagen, John. Aber ich habe mir natürlich Gedanken darüber gemacht und habe den Eindruck, dass es mit den Druiden zusammenhängt.«
Es gehörte sich zwar nicht, ich tat es trotzdem und deutete mit dem Zeigefinger auf Colette. »Wie kannst du eine von ihnen sein, ohne es zu wissen?«
»Das ist eben mein Problem.«
Ich senkte den Kopf, wartete, bis Colette ihre Nase geputzt hatte, und redete dann weiter. »überlege bitte genau. Denk auch an deine Vergangenheit. Hast du irgendwann einmal Kontakt mit den Druiden oder ihrer alten Magie gehabt?«
»Nein.«
Die Antwort erfolgte mir zu schnell. »Bitte, Colette, du musst intensiver nachdenken. Versuche, in deiner Vergangenheit nachzugraben, ich bitte dich.«
»Nein, John, wir haben nur…« Sie stockte, runzelte die Stirn.
»Hast du dich erinnert?«
Die erste Antwort war eine abwinkende Handbewegung. »Nicht
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