0634 - Duell der Schamanen
müssen sie fangen und töten. Ich weiß es jetzt. Ich sende zweimal fünf Jäger aus. Sage du ihnen, worauf sie achten müssen. Schütze sie, wenn du kannst.«
»Willst du, daß ich mit ihnen gehe?«
Katana verneinte. »Du bist sicherer hier.«
»Die beiden Fremden sind nicht weit von hier entfernt. Sie werden die Nacht über geruht haben, aber in den dunkelsten Stunden wandelte einer sich zum Tier und tötete. Jetzt ist er wieder wie ein Mensch. Sie werden nun aufbrechen. Vielleicht kommen sie in diese Richtung. Wir müssen schnell sein. Gestern schon hätten wir handeln müssen, oder im ersten Morgengrauen.«
»Dafür ist es zu spät. Ich konnte dir nicht glauben. Jetzt weiß ich es besser. Ich irrte mich«, gestand der alte Mann. »Aber ich werde mich nicht wieder irren. Ich werde sorgfältiger abwägen. Denn nun weiß ich auch mehr. Während die Jäger fort sind, solltest du die Geister fragen, ob es gut ist, dieses Lager aufzugeben und das Wild an anderer Stelle zu suchen.«
Tamote nickte.
»Es wäre schade«, sagte der Häuptling. »Denn die Jagd ist hier gut und ergiebig. Aber ich setze nicht unser aller Leben aufs Spiel. Frage die Geister.«
Tamote nickte wieder.
Er erhob sich und trat aus dem Zelteingang hinaus, in dem er gesessen hatte, während der Häuptling mit ihm sprach. Wortlos schritt er an ihm vorbei zu den Männern, die Katana ausgewählt hatte, nach den beiden Fremden zu suchen.
Er mußte ihnen einen Schutz mitgeben.
Dabei wußte er selbst nicht, wie man sich schützen konnte gegen einen Zauber, den niemand kannte.
Er mußte eben so tun, als würde er etwas tun!
Wie es seinesgleichen in ähnlichen Situationen schon immer getan hatten…
***
Zu dieser Zeit stand ein hochgewachsener, breitschultriger Mann am Flußufer und sah über die weite Landschaft. Er trug fransenbesetzte, schmucklose Lederkleidung und eine Pelzmütze, von der ein Biberschwanz herabbaumelte. In der Hand hielt er ein modernes Vorderladergewehr, laicht, handlich, zuverlässig und treffsicher.
Er sah die Zelte der Indianer.
Es mußte ein Jagdlager sein. Denn die Dörfer der Indianer entlang des südlichen Mississippi sahen anders aus. Die Natchez, wie die Spanier sie nannten, bauten Rindenhütten - und weiter im Norden rechteckige Häuser mit Kuppeldächern. Und ihre Kulthäuser setzten sie auf Erdpyramiden, die ein wenig denen glichen, die der Mann von Ägypten her kannte.
Nur, daß sie dort aus Stein errichtet worden und von Gängen und Hohlräumen durchzogen waren…
Der einsame weiße Jäger lächelte unwillkürlich, als er an Don Cristofero dachte.
Der war Spanier.
Und die hatten bei den Natchez keinen besonders guten Eindruck hinterlassen. Vor mehr als 130 Jahren waren sie, von Florida kommend, an den Mississippi gelangt. Sie hatten eine Spur der Zerstörung hinter sich gelassen. Aber Hernando de Soto, der Anführer der mörderischen conquistadores, hatte am großen Fluß auch sein Ende gefunden. Die nakni sakti chata - ›Krieger der hohen Klippe‹, wie sie in der Choctaw-Sprache genannt wurden, von den Spaniern auf das wesentlich leichter auszusprechende natchez gekürzt, hatten nach all den Generationen noch nicht vergessen, was ihnen die Männer mit den Helmen und Harnischen, Säbeln, Schwertern und Musketen angetan hatten. Sie würden Don Cristofero sicher nicht schonen, wenn sie herausfanden, daß er zum Volk jener Mörderhorden gehörte.
Vermutlich würden sie ihn töten wollen.
Der weiße Jäger war noch nicht sicher, ob er das zulassen würde. Vielleicht war es eine größere Demütigung für den großmäuligen Don Cristofero Fuego del Zamora y Montego, von ausgerechnet ihm gerettet zu werden, als von Indianerhand zu sterben.
»Wir werden sehen«, murmelte Robert deDigue.
***
Hercule sah zum Himmel empor.
Die Helligkeit gefiel ihm nicht. Er fühlte sich unbehaglich, und er ahnte, daß es schlimmer werden würde, wenn die Sonne höher stieg und heißer brannte. Er wünschte sich Nebel, aber er wußte, daß er den um diese Jahreszeit nicht einmal am Fluß finden würde.
Warum war es nicht Nacht geblieben?
Die Nacht war schön, und sie hatte seinen Durst gestillt.
Der Mann, der kein Soldat hatte werden wollen, der aber Waffen dennoch zu benutzen wußte, betrachtete seine Hände.
Unter den Fingernägeln klebten vertrocknete Blutreste.
Nur an seiner Kleidung nicht. Die hatte er nicht getragen, als er auf Jagd ging.
Er griff nach seinen Schläfen. Die Sonne bereitete ihm starke
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