0634 - Duell der Schamanen
Kopfschmerzen. Er mußte zusehen, daß er Schatten fand.
Er hatte sich in die offene Landschaft hinausgewagt. Das war ein Fehler. Er mußte zurück unter den Schutz des Laubdaches.
Er verfiel in einen lockeren Trab.
Lieber wäre er geritten. Doch das Maultier, das ihm als Reittier zur Verfügung gestellt worden war, hatte in den Nachtstunden das Weite gesucht. Schon vorher, am Abend, war es äußerst unruhig geworden. Es mußte unmittelbar nach der seltsamen Begegnung mit dem…
Mit wem?
Das war doch nur ein Alptraum gewesen!
Und jetzt war dieser Alptraum vorbei. Es ging Hercule wieder gut.
Von den Kopfschmerzen abgesehen, die er im Sonnenlicht bekam. Und die sich ganz allmählich den Nacken abwärts durch seinen gesamten Körper ziehen wollten.
Aber der Schatten war nah.
Und damit auch die Ruhe und die Zufriedenheit.
Hercule lief schneller, ohne auch nur einen Moment lang außer Atem zu kommen.
***
Zamorra atmete tief durch.
Die Umgebung hatte sich verändert. Es gab die Regenbogenblumen nicht mehr, auch nicht die verfallene Hütte, und von Uschi Peters war auch nichts zu sehen. Das hieß, zumindest die Reise in die Vergangenheit hatte schon mal geklappt.
Aber waren sie auch hundertprozentig genau am richtigen Tag eingetroffen?
»Wenn das stimmt, was Robert mir angegeben hat, dann sind wir richtig«, behauptete Eva kühn. »Ich habe mich genau nach dem gerichtet, was er mir sagte. Wenn wir falsch liegen, dann ist es sein Fehler, dann hat er sich nicht richtig erinnert.«
»Unter Hypnose kann man sich nicht falsch erinnern«, sagte Nicole.
»Man kann höchstens lügen«, fügte Zamorra hinzu. »Aber dazu muß man sich schon sehr gut mit den Vorgängen im eigenen Unterbewußtsein auskennen. Es heißt zwar, Lügen wäre unmöglich, aber es funktioniert.«
»Meinst du damit, daß Robert uns bewußt angelogen hätte?« Evas Augen wurden groß.
»Natürlich nicht. Ich wollte es nur der Vollständigkeit halber erwähnen«, sagte Zamorra. »Ich wüßte keinen Grund, weshalb er uns so etwas antun sollte.«
»Einen Grund gäbe es«, murmelte Nicole düster. »Damals, auf Haiti, hat er sich ziemlich teuflisch gezeigt. Gerade so, als wäre das Erbteil seines Vaters voll durchgeschlagen. Und der war immerhin der Chefteufel.«
»Aber in der Gegenwart ist er verdammt menschlich«, gab Zamorra zu bedenken. »Er hat uns zwar nie den Grund für sein damaliges mörderisches und bösartiges Auftreten genannt, aber…«
»In der Gegenwart ist er auch schon mal ähnlich bösartig zu dir gewesen. Erinnerst du dich an die Sache mit Merlins Seelenkelch in dem unterirdischen Tempel in Nordägyptens Wüste? Da hat er dich ganz böse hereingelegt. Du hättest sterben können.« [10]
Zamorra atmete tief durch.
»Es gibt aber eine Menge anderer Fälle, in denen wir ohne seine Hilfe nicht zurechtgekommen sind.«
»Vielleicht, weil es ihm gerade so in den Kram paßte?« überlegte Nicole. »Vielleicht, weil er uns in Sicherheit wiegen will?«
»Sag mal!« stieß Zamorra hervor. »Willst du ihn jetzt gezielt schlechtmachen? Ähnlich, wie du bei Sid Amos immer darauf herumreitest, ›Teufel bleibt Teufel‹? Obgleich auch er uns schon oft geholfen hat, seit er der Hölle den Rücken gekehrt hat? Bei Asmodis kann ich es sogar noch verstehen, weil du ein paar scheußliche Erlebnisse mit ihm hinter dir hast. Aber bei Rob? Nici, ich glaube, du wirst allmählich paranoid! Rob hat oft genug klargemacht, daß er mit seinem Vater - seinem Erzeuger, wie er ihn selbst ja abwertend nennt - nichts zu tun hat und nichts zu tun haben will und seine Machenschaften verabscheut!«
Eva sah verständnislos zwischen den beiden hin und her.
»Glaubt einer von euch im Ernst«, sagte sie plötzlich, »daß Moni und Uschi noch bei ihm wären, wenn er böse wäre?«
Nicole schnappte nach Luft.
»Vielleicht hast du recht«, sagte sie dann gepreßt.
»Sicher habe ich recht«, konterte Eva trocken. »Was ist nun? Wo sind die beiden anderen Leute?«
»Wir werden sie suchen müssen, schätze ich«, überlegte Zamorra. »Rob konnte ja nicht mit hundertprozentiger Sicherheit angeben, wo sie sich befinden. Nur ungefähr.«
»Aber sehr weit von uns entfernt werden sie bestimmt nicht sein«, vermutete Nicole. »Schade nur, daß meine Telepathie hier nicht von Nutzen ist. Sonst wäre es einfach. Vielleicht hätten wir Uschi doch mitnehmen sollen.«
Ihr Handicap war es, daß sie Personen, deren Gedanken sie wahrnehmen wollte, unmittelbar sehen mußte.
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