0636 - Der dunkle Lord
Kontrolle zu bekommen, so wie er auch Lamyron kontrollierte.
Sie erstarrte mitten in der Bewegung.
Das Schwert hoch erhoben, war sie nicht mehr in der Lage, es zu schwingen.
Sie brauchte alle Kraft, sich gegen die Übernahme durch den Dunklen Lord zu wehren.
Die Zeit stand still.
Langsam sank ihre Hand mit dem Schwert abwärts. Ich darf nicht die Kontrolle verlieren , dachte Nicole. Ich darf nicht die Kontrolle verlieren! Ich darf nicht…
Aber sie kam gegen den Dunklen Lord nicht an.
Ihr wurde zum Verhängnis, daß er sie schon einmal in seiner Gewalt gehabt hatte. Damals, vor so vielen Jahren.
Das machte ihm das Spiel jetzt leicht…
***
Als Nicole ihnen zurief, zu verschwinden, begannen die drei Zuschauer zu ahnen, daß hier tatsächlich etwas nicht nach Programm lief. Bertrand faßte die beiden Mädchen bei den Armen und zog sie in Richtung des Cadillac. »Weg hier, lauft schon!« rief er ihnen zu.
»Aber…« wandte Corinne ein.
Doch jetzt drängte es auch Charlotte vorwärts, und Corinne blieb nichts anderes übrig, als den beiden zu folgen. In einem weiten Bogen liefen sie durchs Gras auf den Wagen zu, wie Nicole Duval es ihnen vorgeschlagen hatte. Ihre Fahrräder blieben im Gras liegen.
Der alte Raffael Bois war sekundenlang etwas verwirrt. Natürlich hatte er Nicoles Anweisung mitbekommen und wollte sie auch ausführen, aber dem Ansturm der drei Teenager war er nicht gleich gewachsen. Er wollte ihnen die Autotür öffnen und die Sitzlehnen vorklappen, damit sie normal einsteigen konnten, und war maßlos überrascht, als sie an ihm vorbei einfach über die Seitenwand des Wagens flankten, nacheinander auf der Rückbank landeten und sich dort zusammendrängten.
Platz genug wäre da auch noch für fünf Personen gewesen oder mehr, wenn sie sich eng aneinanderpreßten. Der ’59er Cadillac bot geradezu verschwenderisch viel Platz.
Raffael ließ sich wieder auf den Fahrersitz sinken. Ein Druck auf den Startknopf, den Wählhebel am Lenkrad auf Rückwärtsgang - und der Wagen jagte mit vehementer Wucht den Weg zurück. Dabei erwies sich der alte Mann als ausgezeichneter Fahrer. Erst draußen auf der Landstraße stoppte er ab, nachdem er in engem Bogen eingeschert und die Fahrzeugnase in Richtung Dorf ausgerichtet hatte.
Dabei hatte er Glück, daß hier wenig Verkehr herrschte und die Straße eben frei war. Andere Autos waren gerade nicht mal in weiter Ferne zu sehen.
Die meisten benutzten die mautpflichtige, aber schnellere Autobahn, die parallel verlief. Über die Dörfer zuckelte nur, wer auch dort ein Ziel hatte.
Corinne, als einzige der drei in Führerschein-Besitz, pfiff durch die Zähne. »Mann, waren Sie mal Rallyefahrer, Monsieur?« stieß sie überrascht hervor.
»Wie belieben?« fragte Raffael etwas geistesabwesend. Unwillkürlich tastete er nach dem Transfunkgerät, aber dann fiel ihm ein, daß es niemanden mehr im Château gab, der den Anruf entgegennehmen konnte. Der Chef und Mademoiselle Nicole waren ja hier vor Ort…!
Etwa vierzig Meter entfernt lag Zamorra reglos am Boden. Nicole und Lamyron standen sich gegenüber.
»Das ist irre!« entfuhr es Bertrand. »Wir müssen etwas tun! Wir können sie doch nicht einfach im Stich lassen !«
»Wie stellen Sie sich das vor, junger Mann?« fragte Raffael besorgt. »Ich halte es für besser, Verbindung mit anderen aus dem Team aufzunehmen und…«
»Machen Sie doch mal Platz!« bat Corinne.
Drüben, am Zauberkreis, stand Nicole mit gesenkter Waffe und gesenktem Kopf da, und der Geflügelte trat aus dem Kreis heraus auf sie zu. Ein greller Blitz zuckte auf, heller als die Sonne.
»Was…?« fragte Raffael, der den Blick kaum vom Geschehen wenden konnte. »Wieso? Was wollen Sie?«
»Ans Lenkrad!« verlangte Corinne. Sie kletterte einfach nach vorn.
»Aber Sie können doch nicht einfach…«
»Zur Not setze ich mich auf Ihren Schoß, Monsieur«, bedrängte Corinne ihn energisch.
Raffael schluckte, musterte das hübsche Mädchen im verwegen knappen Badedress entgeistert und fand, daß dies doch nicht recht schicklich sei. »Lassen Sie das bitte«, murmelte er, als sie sich tatsächlich zu ihm herüber drängte.
»Was hast du vor?« wollte Bertrand von hinten wissen.
»Fahren«, sagte Corinne und griff nach dem Lenkrad, bereits halb auf Raffael sitzend. Dessen gute Erziehung hinderte ihn daran, sie gewaltsam zurückzudrängen; er gab protestierend nach und stieg aus, um das Fahrzeug vorn zu umrunden und zumindest den Beifahrersitz
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