0638 - Das Palazzo-Gespenst
stärker aufgewühlt.
Ich zog den Kopf ein, machte den Rücken krumm und mich so klein wie möglich, wobei ich mir die Daumen drückte. Hoffentlich erwischte mich nicht ein solcher Hammer.
Durch den eigenen Schwung waren meine Arme bis zu den Ellenbogen in den Grundschlamm getaucht. Ich zerrte sie wieder hervor, wollte fort schwimmen, als mich das Glück verließ.
Sehen konnte ich den Schatten nicht, dafür war er zu schnell. Plötzlich stand er über mir und raste hinab.
Mein Rücken fühlte sich an, als wäre er geteilt worden. Explosionsartig breitete sich der Schmerz aus. In einem Reflex hatte ich den Mund zu einem Schrei öffnen wollen und riss mich buchstäblich im letzten Augenblick zusammen. Etwas Schlimmeres hatte mir jetzt nicht passieren können, als dass Wasser in meinen Rachen gedrungen wäre.
Dass ich trotzdem schwamm, bekam ich nur am Rande mit. Automatisch bewegte ich die Arme und Beine. Meine Kleidung war sehr schwer geworden, zerrte an mir, als wollte sie mich für immer auf dem Grund des Kanals begraben.
Ich schwamm wie ein halber Weltmeister. Irgendwo und irgendwann musste ich das Ufer erreichen. Ich wollte hochklettern, aufs Trockene gelangen, mich einfach ausruhen und so lange warten, bis die verdammten Schmerzen vorbei waren.
Mit dem Kopf zuerst tauchte ich auf, schleuderte das Wasser aus dem Haar, holte tief Luft - und musste schrecklich husten, weil dichter schwarzer Qualm über die Oberfläche wehte und genau auf mich zutrieb.
Ich schwamm zur Seite, wo die Luft besser war.
Das Schiff stand in Flammen. Oder vielmehr das, was noch von ihm übrig geblieben war, denn die Handgranaten hatten ganze Arbeit geleistet. Nur mehr Fragmente lagen am Ufer. Die Backbordseite war überhaupt nicht mehr vorhanden. Dorthin krängte der Rest über, ein Gebilde aus fauligem, kantigem Holz, das schräg in die Hohe stand und aussah wie ein unterschied lieh hohes Pfostengitter.
Der sonst ruhige Kanal war von starken Wellenbergen erfasst worden Sie glitten von einem Ufer auf das andere zu und ließen auch das zerstörte Schiff nicht aus.
Die Reste bewegten sich im Rhythmus der anlaufenden Wellen, krängten immer weiter über, und wo sie noch brannten, verschwanden sie mit Zisch lauten im Wasser. Ich lag auf dem Rücken, ließ mich von den. Wellen tragen, holte zwischendurch Luft und sah zu, dass ich nicht in den Qualm hinein schwamm. Noch immer tobte der Schmerz durch meinen Körper. Was mich da erwischt hatte, wusste ich nicht, jedenfalls reichte es aus, um mich nicht richtig Luft holen zu lassen.
Dann stieß ich gegen einen auf dem Wasser treibenden Widerstand. Ich drehte mich um, wollte ihn wegschieben. Beide Hände fassten in ein nasses Gesicht, rutschten höher und hakten sich in den Haaren fest, unter denen die Wunde verborgen war, aus der weiterhin Blut quoll.
Ich stieß mich ab, schaute genau hin und erkannte den Mann, der den Strohhut getragen hatte, wieder.
Jetzt lebte er nicht mehr. Irgendein scharfer Gegenstand hatte ihm die Hälfte seines Gesichts weggerissen. Er sah furchtbar aus.
Ich schwamm von ihm weg und auf das Ufer zu, das zum Garten der Villa del Sole hin lag.
Meine Hände erwischten den schrägen Streifen. Er war mit dichtem Gras, aber auch mit Buschwerk bewachsen, an dessen Armen ich mich festklammern und hochziehen konnte.
Es blieb beim Versuch.
Zunächst konnte ich mit den langen Schatten nichts anfangen, dann bekam ich den Stoß.
Er hatte meinen Nacken erwischt, und der nächste drückte genau an der Stelle in meinem Rücken, die so schmerzte.
Jetzt schrie ich auf, rollte mich zurück, wieder in das Wasser hinein und geriet prompt in den saugenden Sog, den das sinkende Schiff verursachte.
Die Kraft zerrte mich dem Grund entgegen. Ich kämpfte dagegen an, hielt meinen Mund wie im Krampf geschlossen und war froh, dass ich der Kraft entwischen und auftauchen konnte.
Bis zur Kanalmitte war ich geschwommen. Nur noch wenig Qualm trieb über die grüne Fläche, so dass meine Sicht zum Ufer hin relativ klar war.
Sie standen links und rechts. Sie waren alle gekommen, sogar das gegenüberliegende Ufer hielten sie besetzt. Mochte der Teufel wissen, wie sie es geschafft hatten, dorthin zu gelangen.
Alte Menschen mit verzerrten Gesichtern, in denen der Hass zu lesen stand.
Der Hass gegen mich, den Störenfried, den sie zu töten gedachten, denn aus einem anderen Grund hielten sie die langen Holzstangen sicherlich nicht in ihren Händen…
***
Kalt wie Eis, kalt wie die Finger
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