0638 - Das Palazzo-Gespenst
als schlimm.
Heulen hätte sie können, wenn sie über die nähere Zukunft nachdachte, aber sie riss sich zusammen. Nur jetzt nicht durchdrehen, die Nerven behalten und zu retten versuchen, was noch zu retten war.
Hier im Zimmer konnte sie das nicht. Es gab für sie nur eine Möglichkeit.
Aufstehen und raus.
Das wiederum war leichter gedacht als getan. Nicht ohne Grund hatte die Brandi den Kaffee präpariert. Lady Sarah, trotz ihres Alters normalerweise ein Energiebündel, fühlte sich matt und ausgelaugt. Auch der starke Wille war nicht mehr vorhanden. Es fiel ihr schwer, sich aufzuraffen und zu kämpfen.
Ihr Blick fiel gegen den Vorhang. Er war dunkel, damit er das grelle Licht abhalten konnte. Dennoch war es zu sehen. Jenseits der dunklen Fläche hatte es sich ausgebreitet und schimmerte wie ein heller See durch den Stoff.
Aufstehen, aufstehen! Mehrmals gab sie sich den Befehl. Und Lady Sarah musste sich überwinden, um die Beine nach rechts zu schwenken. Sie stellte ihre Füße auf das kleine Tritthandtuch vor dem Bett und spürte auch, dass ihr dabei schwindlig wurde.
Dieses verfluchte Zeug hatte nicht nur für Kopfschmerzen gesorgt, es beeinträchtigte auch den Kreislauf, der eigentlich bei ihr ziemlich stabil war.
Sie war froh darüber, sich nicht erst anziehen zu müssen. Sie blieb sitzen. Hinter der Stirn und den Schläfen tuckerte es. Für einen Moment schloss sie die Augen, dann gab sie sich einen Ruck und stand ziemlich schnell auf.
Sarah schwankte, spreizte die Arme wie eine Seiltänzerin in luftiger Höhe, hatte Mühe mit dem Gleichgewicht, aber sie fiel nicht mehr zurück, schon ein Vorteil.
Um die Tür zu erreichen, musste sie um das Bett herum. Mit der linken Hand krallte sie sich am Pfosten des Baldachins fest. So schaffte sie es, die nächsten Meter zu überwinden.
An der Tür blieb sie stehen, um sich auszuruhen. Schwer atmend lehnte sie sich gegen das Holz. Sie rechnete damit, dass Rosanna Brandi von außen abgeschlossen hatte, stemmte sich auf die Klinke und freute sich über ihren Irrtum.
Die Tür war offen…
Die Horror-Oma machte nicht den Fehler, sofort aus dem Zimmer zu stürmen. Sie wartete ab, bevor sie die Tür weiter öffnete und in den Gang blickte, aus dem ein brummendes Geräusch an ihre Ohren drang.
Ein Zimmermädchen saugte den Steinboden.
Sie hätte ihn besser wischen sollen, das geschah nur jeden zweiten Tag.
Die Kleine stand gebückt und drehte Lady Sarah den Rücken zu.
Deshalb sah sie nicht, wie die Horror-Oma an der Wand entlangging und sich dort einfach festhalten musste, denn die letzten Minuten waren sehr anstrengend für sie gewesen, und ihre Knie waren dabei, allmählich nachzugeben. Pfeifend drang der Atem über ihre Lippen. Sie zwinkerte mit den Augen, weil Schweißtropfen hineingelaufen waren. Plötzlich wusste sie, dass sie es nicht mehr bis zum Ausgang schaffte. Das verdammte Gift wühlte in ihrem Körper und brach ihren Widerstand.
Das Zimmermädchen hatte noch immer nichts bemerkt. Fast wäre es beim Rückwärtslaufen gegen Sarah gestoßen. Im letzten Moment drehte es sich um - und schaute sie mit einem erschreckten Ausdruck im Gesicht an, wobei sie nur zwei Sekunden später den Stäubsauger abstellte. Das Summen verstummte.
»Aber Signora, was ist…?«
Lady Sarah holte laut Luft. Sie lehnte an der Wand; ihre Beine zitterten.
Es würde nicht mehr lange dauern, dann hielten sie das Gewicht nicht mehr.
»Es geht mir nicht gut.«
»Si, das sehe ich. Sie sollten zurück in Ihr Zimmer und sich ins Bett legen. Ich kann auch einen Arzt anrufen…«
»Nein, nicht den Doktor, das brauchen Sie nicht. Wie heißen Sie, Kind?«
»Teresa.«
»Gut, Teresa, Sie können mir einen Gefallen tun.«
»Gern, Signora.«
»Bringen Sie mich wieder zurück in mein Zimmer. Ich schaffe es nicht mehr, bin zu matt.«
»Soll der Arzt nicht doch…?«
»Nein, auf keinen Fall. Nur in mein Zimmer. Ich… ich muss mich nur ausruhen.«
Teresa - so klein sie auch war - gehörte zu den energischen Personen.
Sie hakte Lady Sarah unter und brachte sie sicher zurück in das Zimmer.
Mrs. Goldwyn war froh, sich auf das Bett legen zu können. »Und jetzt hätte ich gern ein Glas Wasser. Ist das möglich?«
»Gern.« Das Mädchen verschwand im Bad.
Lady Sarah hörte das Rauschen des Wassers. Sie konnte sich nur die Daumen drücken und hoffen, dass Teresa nicht mit den anderen unter einer Decke steckte. Alles Weitere würde sich schon ergeben. Jedenfalls gehörte das
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