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064 - Das Steckenpferd des alten Derrick

064 - Das Steckenpferd des alten Derrick

Titel: 064 - Das Steckenpferd des alten Derrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Absichten?
    »Das klingt ja beinah, als hätte sich zwischen Ihnen und Lord Weald etwas Ernstliches angesponnen«, erwiderte er. Sie errötete, lachte aber dazu.
    »Unsinn!« Dann blickte sie sich im Salon um. »Werden Sie noch lange hier wohnen?«
    »Warum fragen Sie?«
    »Warum? Weil ich es wissen möchte. Ist Ihnen noch nicht bewußt geworden, daß Sie hier nur wohnen, weil Tommy verreist ist? Also, ich will durch meine Frage auf Umwegen erfahren, wie lange Tommy noch einen Vorwand haben wird, um mich herumzuschwänzeln. Langweilen Sie sich denn hier nicht? Nebenan ein leeres Haus! Das muß doch deprimierend wirken. Und nur ein Junggeselle in der Nachbarschaft ...« »Sie meinen Derrick?«
    »Man erzählte mir, er sei überdies verreist - nach Schottland gefahren. Ist das nicht die Höhe? Sie hier zurückzulassen, um sein Haus zu bewachen? Noch dazu, wo es von Geistern heimgesucht wird!« »Wer hat Ihnen denn das erzählt?«
    »Die ganze Nachbarschaft regt sich schon darüber auf. . .« Ihre Lippen zuckten vor verhaltenem Lachen. »Nicht einmal zu einer Tasse Tee haben Sie mich eingeladen! Nein, lassen Sie nur, ich gehe gleich wieder. Warum erzählen Sie mir eigentlich nichts über meine Doppelgängerin, Mr. Staines? Oder hat Tommy wieder einmal geschwindelt? Wer ist sie? Wie sieht sie aus?«
    Ganz offensichtlich machte sie sich lustig über ihn. »Hübsch ist sie -«, sagte er kurz, »bildhübsche graue Augen - und ein Mund . . . Am besten kann man ihn beschreiben, indem man . . .« Nun wurde sie doch verlegen und senkte die Augen.
    »Sie scheint ja einen mächtigen Eindruck auf Sie gemacht zu haben, Mr. Staines! Doch wollte ich ihr Äußeres gar nicht so genau beschrieben haben, sondern nur wissen, ob sie mir wirklich ähnlich sieht.« Er nickte lebhaft.
    »So?« fragte sie und machte eine kleine Pause. »Ich möchte mal Ihre Gedanken lesen.«
    »Und ich die Ihren!«
    »Vielleicht verrate ich sie Ihnen eines Tages.« Sie nahm Handtasche und Schirm auf und machte sich zum Gehen bereit. »Werden Sie sich endlich einmal auf Ihre Kavalierspflichten besinnen und mich zum Bahnhof begleiten?«
    Er zögerte. Um diese Stunde suchte er meist Derricks Haus auf. Doch - schließlich brauchte er nicht den ganzen Tag ›im Dienst‹ zu sein.
    »Ja, ich komme mit Ihnen«, erklärte er entschlossen.
    Sie ging ziemlich langsam - Eile schien sie jedenfalls nicht zu haben.
    »Sie haben mich nicht einmal gefragt, warum ich meinen Beruf an den Nagel hängen will und was ich dann anzufangen gedenke, um mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Sie haben recht wenig Interesse für mich und scheinen mehr für meine Doppelgängerin übrig zu haben. Die Glückliche! Träumen Sie oft von ihr?«
    »Reden Sie keinen Unsinn, Mary! Ich will Sie sowieso etwas fragen ...« Er hörte sie kichern.
    Sie betraten den Park, und Dick nahm ihren Arm. Eine Weile ließ sie es geschehen, dann machte sie sich los.
    »Nein! Nein!« flüsterte sie. »Bitte, ich möchte mir meine Selbstachtung bewahren.«
    Ihre Worte kränkten ihn, was sie sogleich bemerkte. »Bitte, seien Sie nicht böse«, bat sie. Sie ging schneller. »Ist Ihnen jemals eine Sache zum Ekel geworden? Daß Sie alles, was Sie taten, haßten? Ich meine Beruf, Gesellschaft, alles, was mit dem Leben zusammenhängt? Ich bin heute in dieser Stimmung!«
    »Sie mögen Ihren Beruf nicht?« »Nein!«
    Der Zug, den sie benutzen wollte, fuhr erst nach neun Uhr. Da sie sich hungrig fühlte, bat sie Dick, mit ihr in ein Restaurant zu gehen. Sie aß aber nur wenig.
    »Wissen Sie, warum ich heute nach London gekommen bin? Nein? - Wenn ich einsteige, sage ich es Ihnen.«
    Er fand einen Fensterplatz für sie, und als er wieder draußen stand, beugte sie sich an sein Ohr.
    »Um mich selbst zu demütigen, Asche über mein Haupt zu streuen und mich barfuß im Schnee zu kasteien.« Er starrte sie sprachlos an und lief neben dem sich langsam in Bewegung setzenden Zug her.
    »Ich will Ihnen noch eine Mitteilung machen, über die Sie entsetzt sein werden. Niemals aber, hören Sie, dürfen Sie mich nach diesem Abend daran erinnern!«
    »Was wollen Sie mir noch sagen?« fragte er und paßte seinen Schritt der schnelleren Fahrt des Zuges an.
    Sie beugte sich aus dem Fenster, bis ihre Lippen beinahe seine Wangen berührten.
    »Ich liebe dich und weiß nicht, warum!«
    Dann trat sie vom Fenster zurück. Dick stand wie versteinert da.
    Als die Schlußlichter des Zuges lange schon verschwunden waren, stand er noch immer

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