064 - Das Steckenpferd des alten Derrick
Der alte Cornfort ist so ziemlich fertig. Er ging schon gegen neun Uhr ins Bett, und so lud ich sie ein, mit mir spazierenzugehen. Während wir auf einer Bank saßen, steckte ich ihr, ohne daß sie es merkte, ein kleines Geschenk in ihr Handtäschchen. Ich hatte es für einen Haufen Geld in London gekauft. Ja, wenn ich nicht den Stöpsel vorher herausgezogen hätte, wäre alles gut gegangen. Wie konnte ich aber auch ahnen, daß das verfluchte Zeug auslauten würde?«
Dick war aufgesprungen.
»Was wolltest du ihr schenken?« fragte er erregt.
»Eine Flasche Parfüm, der letzte Modeschrei - ›Sans Atout‹! Ich dachte erst, es handle sich um ein Kartenspiel, aber man lernt ja nie aus. Was glaubt du, wie wütend sie war, als sie das ›Geschenk‹ entdeckte? Sie war nicht mehr so sanft, wie sie sonst ist, im Gegenteil, sie legte los wie eine Furie! Schrie mich an, sie hasse mich und das ganze Parfümzeugs, aber -behalten hat sie die Flasche doch.«
Dick war aschgrau geworden.
»Bist du krank?« erkundigte sich Tommy besorgt.
»Nein. Erzähl nur weiter. Sie hat dich wohl stehenlassen?«
»O nein! Ich ließ sie stehen! Es war, was man einen Streit zwischen Liebespaaren nennt.«
»Was man was nennt?«
»Nun, ich meine so eine kleine Auseinandersetzung. Ich war richtig wütend, stand auf und lief davon. Als ich zurückkam, ging sie gerade ins Haus.« »Wie spät war das?«
»Gegen zehn, vielleicht etwas früher. Ich weiß nie so genau, wie spät es ist.«
»Hast du sie nochmals gesehen?« »Natürlich. Oder traust du mir etwa zu, daß ich weggegangen bin, ohne mich für meine Ungezogenheit entschuldigt zu haben? Ich rief sie vom Hotel aus an.«
»Das bedeutet aber doch noch nicht, daß du sie gesehen hast?« wandte Dick ein.
»Meiner Ansicht nach ist es ganz gleich, ob ich sie sehe oder höre. Ich bat sie, nochmals auf die Promenade zu kommen und mir Gelegenheit zu geben, mich bei ihr zu entschuldigen.«
»Und?« forschte Dick mit fieberhafter Spannung. »Sie kam, und wir bummelten noch eine ganze Weile auf der Promenade. Sie erzählte mir, sie mache sich Sorgen über etwas. Es gebe in England eine Doppelgängerin von ihr - sie habe sie an diesem Tag in Clacton von weitem gesehen.«
»Kannst du beschwören, Tommy, daß du mit Mary Däne zusammen warst?«
Tommy starrte ihn besorgt an.
»Fehlt dir etwas, mein Junge?«
»Nein!« wehrte Dick ungeduldig ab. »Ich will nur wissen, ob du ganz sicher bist, daß du mit Mary Däne zusammen warst. Es könnte ja auch . . .«
»Natürlich war ich mit ihr zusammen, bis gegen zwölf.«
»Und jetzt - was willst du eigentlich in London?« fragte Dick unvermittelt.
»Hör zu, ich will dir helfen, das Geheimnis der Doppelgängerin zu lösen -«, machte sich der Lord wichtig. »Weißt du denn schon, daß es so etwas . . .«
»Halt den Mund, Tommy! Wenn du auch noch mit der Doppelgängerin anfängst, mach ich dich kalt!« »Miss Däne sagte mir«, setzte Tommy seinen Bericht unbeirrt fort, »daß sogar der Mann, der nebenan ermordet worden ist, sie für ihre Doppelgängerin gehalten habe. Und da ich trotz deiner vielen Fehler immer noch einiges Vertrauen in deine Tüchtigkeit setze, wollte ich dich auf diese Chance, Lorbeeren zu ernten, aufmerksam machen. Deshalb bin ich hier.« »Willst du im Ernst behaupten, daß du den Weg von Clacton nach London nur deshalb zurückgelegt hast, um mir von dieser Doppelgängerin zu erzählen? Weißt du denn nicht, daß wir uns im Yard über diese Sache schon lange den Kopf zerbrechen?«
15
Inspektor Staines war fest entschlossen, nicht länger mit sich spielen zu lassen. Vor allem besorgte er sich einen Bauplan der Gegend. Zwischen den beiden Gebäuden hatte es früher einen kleinen gedeckten Durchgang gegeben. Später hatte man dort die Garage für Lord Wealds Haus eingebaut. Weiter zurück lagen eine Stallung, eine einzelne, freistehende Garage und eine Reihe von Privatgärten, hinter denen sich eine Mauer hinzog, die in regelmäßigen Abständen von Gartentüren unterbrochen wurde. Das ganze Gelände der Hinterhöfe und Gärten stieß an die Rückseiten der Häuser an der Coyling Street.
Einen Nachmittag lang verbrachte Staines mit der Besichtigung dieser Straße, deren Häuser alle bewohnt waren, mit Ausnahme von Nr. 7. Dieses Haus sah vernachlässigt aus. Die von den letzten Bewohnern zurückgelassenen Vorhänge waren vergilbt und zerschlissen.
Der Inspektor erkundigte sich nach dem Besitzer des leerstehenden Hauses und erfuhr,
Weitere Kostenlose Bücher