064 - Das Steckenpferd des alten Derrick
fort. »Sie sind doch keiner von denen, die jedem Unterrock nachlaufen.«
Er war mit der genauen Betrachtung der Bohrlöcher beschäftigt, bemerkte also' die Röte im Gesicht seines Untergebenen nicht. Dick erinnerte sich lebhaft; der Umstände seines Spaziergangs, er dachte an die Anspielungen Marys und an die Worte, die sie ihm noch vom Zug aus zugeflüstert hatte. Der Verdacht, den Bourke ausgesprochen hatte, war gerechtfertigt. Verdacht? Nein, es war für Dick Gewißheit.
Er sah totenblaß aus, so daß Bourke es bemerkte.
»Krank, Staines?« erkundigte er sich.
»Zum Kotzen!«
»Soll ich Ihnen noch einen Mann herschicken?« fragte der Chef.
»Nein, ich hatte es Derrick schon vorgeschlagen, aber er wollte es nicht. Er will das Haus ganz aufgeben, meinte sogar, ich brauche nicht mehr länger Tommys Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. Derrick ist nach London zurückgekehrt, weil er zu einer Sitzung mußte.«
»Was er in seinem Haus anordnet, ist seine Sache«, erwiderte Bourke. »Ich möchte jedenfalls, daß Sie noch länger bei Lord Weald bleiben. Übrigens, da fällt mir ein - wir sollten mal Inspektor Endred konsultieren, er kennt die Häuser von früher her, als sie noch nicht umgebaut waren. Nun ja - der Daumenabdruck ist jedenfalls künstlich angebracht worden. Doch warum? Da steckt etwas dahinter, was wir noch nicht ahnen. Sicher ist nur - man will uns auf die Person jenes Mörders aufmerksam machen. Und dann noch etwas: Lordy Brown wurde vom Mörder von Slough getötet, das steht für mich fest. Derselbe Schuß, Richtung von unten n ach oben. Bleiben Sie bei Weald! Ich glaube, nur so werden wir den größten Fall, den wir seit langem hatten, erfolgreich abschließen können.«
17
Inspektor Staines faßte einen heldenhaften Entschluß. Er wollte alles auf eine einzige Karte setzen, sich Mary Däne offenbaren, ihr die ganze Sachlage darlegen und seinen Verdacht ihr gegenüber klar und offen beichten. Nicht einen Augenblick lang hatte er ernstlich geglaubt, daß sie an der Ermordung Lordy Browns beteiligt gewesen war. Sosehr er die ganze Sache auch drehen und wenden mochte, die Gewißheit blieb, daß sie allein ihm die notwendigen Aufklärungen geben konnte.
Er legte sich mit dem festen Vorsatz schlafen, gleich den ersten Frühzug nach Margate zu nehmen, um ein für allemal mit diesen Unklarheiten aufzuräumen. Er ließ dem Vorsatz auch wirklich die Tat folgen und landete an seinem Ziel, ohne bestimmt zu wissen, ob er Mary Däne dort noch antreffen würde. Der alte Cornfort reiste wie ein Komet von einem Seebad zum ändern, und das Mädchen mußte ihm folgen. Vielleicht war der alte Invalide überhaupt der Schlüssel zu den vielen Rätseln, die seine Pflegerin umgaben? War alles nur ein Schauspiel, das man vor der Welt aufführte, um über die wirklichen Absichten der Spieler hinwegzutäuschen? War es tatsächlich die Doppelgängerin, die die verdächtige Rolle spielte, die ihn mit so tiefem Mißtrauen gegen Mary Däne - das Mädchen, das ihm seine Liebe erklärt hatte - erfüllte?
Lordy Brown hatte vor seinem Tod von einer Miss des Villiers aus Kapstadt gesprochen. Welche Rolle spielte sie in diesem Drama? Staines hatte schon die Absicht, nach Südafrika zu kabeln, um sich über das Mädchen zu erkundigen, fand aber in der Bibliothek des Yard ein Adreßbuch Kapstadts, das nicht weniger als drei volle Seiten ›de Villiers‹ aufführte. Warum hatte er Lordy nicht über die näheren Umstände seiner Bekanntschaft mit dieser Mary de Villiers befragt? Doch, was hatte es jetzt noch für einen Zweck, sich darüber den Kopf zu zerbrechen? Lordy war tot und allen Fragen entrückt. Vielleicht wußte Tommy, der im Cliftonville Hotel wohnte, wo Mary Dane zu finden war? Dick ärgerte sich nicht mehr allzusehr über die Verliebtheit seines Freundes, im Gegenteil, für ihn war der Lord das wandelnde Alibi der Verdächtigten. Ob auch Mary Dane den Verehrer von diesem Standpunkt aus betrachtet und ihn deshalb ermutigt hatte, sich dauernd in ihrer Nähe aufzuhalten?
In Margate traf Staines seinen Sergeanten Rees, der mit dem gleichen Zug von London gekommen war. Er gab ihm die erforderlichen Erklärungen und Instruktionen, derer er sich aber gleich darauf schämte. Dann begab er sich zuerst zum Hotel und erkundigte sich nach Tommy.
»Ja, Sir, Lord Weald wohnt hier, aber ich glaube, er ist vorhin ausgegangen«, teilte ihm der Portier mit.
Ein Kellner, der eben vorbeiging, wußte genaueren Aufschluß
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