064 - Das Steckenpferd des alten Derrick
Garage, in der ein einziger Wagen stand. Routinemäßig vergewisserte er sich, daß der Tank gefüllt und der Wagen fahrbereit war. Er stieg die Kellertreppe wieder hinauf. Im Hausflur drückte er auf die Klinke der ersten Tür und blieb - wie vom Blitz getroffen - auf der Schwelle stehen.
Der Anblick, der sich ihm bot, hätte genügt, einen noch unerschrockeneren Mann als Dick zu verblüffen: Auf dem Fußboden lag ein gefesselter und geknebelter Mann, über den sich eine elegant gekleidete Dame beugte, die seine Taschen durchsuchte.
Die Szene spielte sich in einem Aufenthaltsraum für Bedienstete ab. Ein kostbarer Pelzmantel, wahrscheinlich das Eigentum der Dame, war achtlos über einen Stuhl geworfen worden. Auf der Tischplatte lag eine kleine, blinkende Schußwaffe. Erst als er einen Schritt nähertrat, bemerkte ihn die Frau und blickte erschrocken auf.
»Mein Gott!« entfuhr es Dick.
Die elegante Dame, die eben noch damit beschäftigt gewesen war, einen gefesselten und geknebelten Mann zu durchsuchen, war - Mary Däne!
Nicht die geringste Bewegung verriet, ob sie Staines wiedererkannte. Nur Furcht und Haß spiegelte sich in ihren Augen wider.
»Mary Däne?« fragte er, und seine Stimme klang wie berstendes Glas.
Das Mädchen stand wie aus Stein gemeißelt - nur die Hand tastete langsam nach dem auf dem Tisch liegenden Revolver. Bevor sie aber die Waffe erreichen konnte, erlosch plötzlich das Licht. Dick wollte sich auf das Mädchen stürzen, um es festzuhalten, als er selbst von hinten gepackt und zu Boden geworfen wurde. Während er sich bemühte, rasch wieder auf die Beine zu kommen, hörte er hinter sich die Küchentür und gleich darauf die Haustür zuschlagen. Endlich war er soweit, um die Verfolgung aufzunehmen. Aber die Flüchtenden waren wie vom Erdboden verschwunden. Haustür, Küchentür und Küchenfenster' standen offen, und die Haustür, die sich in der Zugluft bewegte, schlug in Abständen auf und zu. Auch auf der Straße war weit und breit nichts zu sehen. Langsam ging der Inspektor zu dem Gefesselten zurück und löste ihm die Fesseln.
Der Mann erholte sich zusehends.
»Ich bin Larkin, Sir«, stellte er sich vor. »Mr. Derrick hat mich als Wächter seines leerstehenden Hauses engagiert.« Erst jetzt schien ihm der Aufzug seines Befreiers aufzufallen, denn er starrte Dick verwundert an. »Ich bin den ganzen Tag hier und gehe nur abends kurz vor dem Essen ein wenig an die Luft.« Auf dem Tisch standen die Überreste eines einfachen Abendessens, eine halbvolle Bierflasche und ein Glas mit einem Rest Bier. Dick blickte nachdenklich darauf.
»Hatten Sie das Glas schon vor Ihrem üblichen Abendspaziergang gefüllt oder erst nach Ihrer Rückkehr?«
»Das kann ich Ihnen wirklich nicht genau sagen, Sir. Ich glaube, ich habe das Bier erst nachher eingeschenkt.« Der Wächter griff nach dem Glas, um einen Schluck zu nehmen, aber Staines fiel ihm in den Arm. »Lassen Sie das Glas stehen, Larkin«, warnte er ihn. »Man hat Ihnen offenbar ein Schlafmittel ins Bier geschüttet. Kannten Sie das Mädchen? Hat man Ihnen etwas gestohlen?« Larkin kramte in seinen Taschen und zog eine lederne Brieftasche und einen Schlüsselbund hervor. Sorgfältig prüfte er den Inhalt der Brieftasche, dann sagte er:
»Nein, mir fehlt nichts - es ist alles noch da. Und die Dame - nein, ich kenne sie nicht. Sie fesselte mich ja auch nicht, es war ihr Begleiter.« »Ihr Begleiter?«
»Gewiß. Als man mich fesselte, bin ich einen Augenblick aus meiner Betäubung erwacht und hörte, wie sich die beiden über etwas unterhielten.«
Larkin beschrieb den Einbrecher als einen hageren Mann mit hellblonden Haaren. Dick mußte unwillkürlich lächeln, als er den verwunderten Blick bemerkte, den der nun wieder mißtrauisch gewordene Wächter auf seinen triefenden Schlafanzug warf.
»Ich wohne nebenan bei Lord Weald«, klärte er ihn endlich auf und berichtete, wie er in diesem Aufzug in ein fremdes Haus gelangt war. Als er Larkins Neugierde befriedigt hatte, nahm er eine oberflächliche Untersuchung des Raumes vor, ohne jedoch bemerkenswerte Feststellungen machen zu können. »Sie haben doch Telefon im Haus, nicht wahr? Gut, benachrichtigen Sie also die Polizei und rühren Sie hier nichts an.«
Dick trat durch die noch immer offenstehende Haustür auf die vor Nässe spiegelnde Straße hinaus und war wenige Augenblicke später wieder in Lord Wealds Haus. Nach einem heißen Bad zog er sich an und ging nochmals hinunter. Vor dem
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