064 - Der Frauenhexer
spannte.
„Wie schön so ein Regenbogen ist“, sagte Roxane versonnen.
„Wenn ich könnte, ich würde ihn dir vom Himmel holen.“
Von fern hörten sie das Gekläff der Hunde, das Signal der Jagdhörner. Arno horchte auf, als er die wohlbekannten Klänge vernahm.
„Sie haben einen Hirsch erlegt“, sagte er. Und nach einer Weile: „Der Kerl mit dem Feuermal hat sich heute wieder im Wald herumgetrieben. Dein Vater ist viel zu nachsichtig mit ihm. Er gehört längst an den Galgen.“
„Vater hält nichts von diesem Altweibergeschwätz über Zauberkunst und Hexerei“, antwortete Roxane. „Signefeu ist ein Schankwirt wie tausend andere auch. Er hat das Galgenwirtshaus gepachtet, das, wie du weißt, zum Besitz meines Vaters gehört. Gewiß, mit seinem Feuermal sieht er aus wie ein Kinderschreck, doch was hat das schon zu bedeuten?“
„Die Leute sagen, er ist ein Hexenmeister, Roxane. Er ist Herr eines Hexenzirkels, sagen sie, und er und seine Hexen treiben schlimme Dinge in den Vollmondnächten. Sie verehren den Teufel, feiern wilde Orgien im Wald, verhexen Vieh und Mensch, säen Krankheit, Not, Tod und Unglück.“
Roxane fror trotz des warmen Sonnenscheins.
„Geschwätz!“ sagte sie heftig. „Es gibt keine Beweise.“
„Beweise? Auf der Folter würde Gilbert Signefeu schon gestehen. Unterzieht ihn doch der Hexenprobe.“
„Nein. Er zahlt seine Pacht und den Zehnten. Er hält das Wirtshaus instand. Er ist ein treuer Untertan meines Vaters, des Grafen.“
„Ein Untertan des Satans ist er. Du weißt doch, wie er dich immer ansieht, Roxane, mit seinen dunklen, glühenden Augen. Vielleicht verhext er dich eines Tages noch.“
Roxane lachte glockenhell.
„Du bist ja eifersüchtig, Arno. Eifersüchtig auf einen Schankwirt, der einen üblen Leumund hat. Du Dummer! Eher friert der Fluß und brennt zugleich, als daß ich Gilbert Signefeu ein Zeichen meiner Gunst zukommen lasse. Und jetzt laß uns von etwas anderem reden. Hast du am Hofe des Herzogs nichts anderes gelernt, als zu Jungfrauen von Hexern und Hexen zu reden?“
Arno küßte Roxane wieder. Sie saßen noch eine Weile beieinander, doch als Arnos Zärtlichkeiten zudringlicher wurden, erhob sich Roxane.
„Noch sind wir nicht verheiratet, Arno von Schönhall. Du mußt Geduld haben.“
Roxane schwang sich in den Sattel und preschte davon. Arno von Schönhall jagte hinter ihr her. Er sah manchmal einen Schimmer ihres blonden Haares oder ihres himmelblauen Reitkleides zwischen den Bäumen. Doch er konnte sie nicht einholen, denn sie war eine ausgezeichnete Reiterin.
Sie erreichten die Jagdgesellschaft, die Treiber mit der Hundemeute, die Damen und Herren, die Graf Bodos liebstem Zeitvertreib frönten, der Jagd. Roxane ritt an die Seite ihres Vaters, des graubärtigen, stämmigen Grafen Bodo. Er hatte ihre Abwesenheit kaum bemerkt, so fesselte ihn das Waidhandwerk.
Arno von Schönhall hielt sich etwas hinter Bodo von Falkenfels und seiner Tochter. Plötzlich hörten sie seinen ärgerlichen Ruf. Graf Bodo wandte sich im Sattel um.
„Was gibt es?“
„Dort drüben in dem Gehölz, der Hexer Signefeu.“
„Was? Das ist unmöglich, Arno. Ich weiß, daß Ihr diesen Mann nicht leiden könnt, doch allgegenwärtig ist er wohl kaum. Vor einer halben Stunde noch sahen wir ihn drei Meilen zurück.“
„Ein guter Läufer kann das schaffen. Er stand dort in dem Stangengehölz und winkte mir zu.“
„Was sollte er hier? He, Treiber, habt ihr in dem Gehölz dort einen Mann gesehen?“
„Nein, Herr. Die Hunde wollten nicht hinein in das düstere Stangengehölz. Vielleicht ist ein Keiler oder ein Bär darin, oder sonst etwas.“
„Das sagt ihr jetzt? Verfluchte Bande. Los, abgesessen! Wer geht zuerst hinein? König der Jagd wird, wer das Untier da drinnen zur Strecke bringt.“
Die Hunde scharten sich um das Gehölz. Sie kläfften wild, aber keiner drang hinein, als sei dort etwas, das sie fürchteten. Die Jagdgesellschaft rückte im Halbkreis gegen das Gehölz vor. Wenn das Tier, das darinnen Zuflucht gesucht hatte, die Flucht ergriff, gab es eine wilde Hatz.
„Na, hat keiner den Mut, hineinzugehen? Gut, dann werde ich selbst es tun.“
„Nein, Graf Bodo. Ich will gehen.“
Arno von Schönhall löste den kurzen Sauspieß vom Sattel. Er lockerte den Dolch in der Scheide.
„Glaubtest du nicht, dort Signefeu zu sehen?“ flüsterte Roxane ihm zu.
Arno lachte böse. Er hielt den Spieß fest in der Hand.
„Falls er’s ist“, antwortete
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