064 - Der Frauenhexer
Centra-Film. Ich brauche wohl nicht darauf hinzuweisen, daß von diesem Experiment viel abhängt. Der Konkurrenzkampf in der Filmbranche ist hart. Die Centra-Studios können sich einen Fehlschlag nicht leisten. Und auch Sie, meine Damen und Herren, wollen von diesem Filmprojekt profitieren. Zum einen finanziell, zum anderen auf Grund der Publizierung Ihrer darstellerischen Leistung, die Ihnen weitere Angebote bringen wird. Wenn also jemand hier irgend etwas weiß, was zur Aufklärung der Vorgänge in den letzten vierundzwanzig Stunden beitragen kann, soll er jetzt reden.“
Niemand sagte ein Wort.
„Nun gut. Falls diese Spukgeschichte sich wiederholt, oder falls andere Dinge geschehen, die Unruhe stiften und die Dreharbeiten behindern, dann hat der Urheber die Konsequenzen zu tragen. Das sind: Erstens fristlose Entlassung, zweitens Schadenersatzforderungen. Es ist mir dabei völlig gleichgültig, um wen es sich handelt und welche Position er innehat. Das war alles, meine Damen und Herren.“
Schultz-Breitenberg ging an die Hotelbar. Er war für den Rest des Abends mürrisch und verdrossen. Thorsten Thorn, Linda Scholz, Thomas Leupolt und Leonora Rycka tranken noch ein Glas zusammen, dann gingen Thorn und Linda nach einem kurzen Spaziergang auf Thorns Zimmer.
Es war drückend heiß und schwül. Das blonde Mädchen und der schwarzhaarige Mann mit dem sympathisch-häßlichen Gesicht lagen nackt nebeneinander auf dem Bett. Thorn fuhr mit dem Zeigefinger die Konturen von Lindas Gesicht nach.
„Du bist schön“, sagte er sanft.
„Manches an mir könnte besser sein“, antwortete Linda. „Mein Busen könnte größer sein, meine Beine länger. Manchmal frage ich mich, was das Publikum eigentlich an mir findet.“
„Frag mich, ich kann es dir genau aufzählen.“
„Na, dann fang doch an.“
„Da sind zunächst deine Augen.“
Thorn küßte Lindas Augen. Er zählte die Nase, den Mund, das Kinn, den Hals auf. Linda lag mit geschlossenen Augen da, spürte Thorns Küsse. Ihr blondes Haar war über das Kissen ausgebreitet.
„Ich weiß nicht, was du an deinem Busen auszusetzen hast“, sagte Thorn.
Linda spürte seine Hände an ihren Brüsten, seine Lippen. Plötzlich hielt er inne. Sie merkte, wie er sich neben ihr aufrichtete, und öffnete die Augen. Thorn schaute angespannt zur Balkontür.
„Was ist denn, Thorsten?“
„Da ist jemand auf dem Balkon“, flüsterte er. „Jemand beobachtet uns.“
Er sprang vom Bett, war mit zwei langen Schritten bei der Balkontür, riß sie auf, trat hinaus. Linda hörte einen Fluch, ein Keuchen, dann einen entsetzten Ruf Thorns und gleich darauf einen gellenden Schrei. Im selben Augenblick brach das Gewitter los. Ein Blitz zuckte aus der schwarzen Wolkendecke, beleuchtete für Augenblicke grell die Szenerie.
Der Balkon war leer. Thorsten Thorn war aus dem zweiten Stock in den Hof gestürzt. Der Donner krachte ohrenbetäubend in der Finsternis, die dem grellen Licht des Blitzes folgte. Nackt wie sie war, rannte Linda auf den Balkon hinaus. Im Schein des nächsten Blitzes sah sie Thorsten Thorn auf dem asphaltierten Hof liegen.
Er war sechseinhalb Meter tief abgestürzt. Linda zog ihre roten Jeans und die Bluse über, lief barfuß aus dem Zimmer, die Treppe hinab und in den strömenden Regen hinaus. Wieder blitzte und krachte es. Zugleich strömte der Regen vom Himmel, als sei in den Wolken ein Damm gebrochen.
Linda beugte sich über Thorn. Er hockte völlig benommen im Regen.
„Thorsten, Liebling, ist dir etwas passiert?“
Thorn erhob sich, bewegte Arme und Beine, betastete seinen Körper.
„Ich glaube nicht. Ich bin auf allen vieren gelandet. Es ist nichts gebrochen, wie es scheint.“
Linda nahm seinen Arm und führte ihn durch den strömenden Regen ins Hotel. Thorn setzte sich in einen Sessel nahe der Rezeption. Er stand noch unter der Schockeinwirkung.
„Wie konnte das passieren? Bist du ausgerutscht, Thorsten?“
Thorsten Thorn sah Linda an. In seinen dunklen Augen flackerte Angst. „Er hat mich über das Geländer gestoßen“, antwortete er.
„Er? Wer? Es war niemand auf dem Balkon, als ich hinauskam.“
Thorsten Thorn konnte keine weitere Auskunft geben, denn zwei Kameraleute und vier Schauspieler kamen die Treppe herunter. Ein Script-Girl und drei Schauspielerinnen folgten ihnen. Der Schrei, den Thorsten Thorn bei seinem Sturz ausgestoßen hatte, hatte sie alarmiert.
„Was war denn? Was ist passiert?“ fragte ein Kameramann.
„Ich
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