064 - Der Frauenhexer
merkwürdig oder benimmt er sich seltsam?“
„Nein, er ist wie immer. Bis auf heute mittag, diesen unerklärlichen Schlag, den er bekommen haben will. Vielleicht hat er recht. Vielleicht spukt es hier wirklich. Bedenken Sie doch, was alles schon geschehen ist, seit wir da sind, Viktor.“
„Linda, ich habe mich bereit erklärt, einen Horror-Film zu machen. Aber nie und nimmer werde ich an Geister oder Gespenster glauben. Thorsten ist überarbeitet, oder er hat sich bei dem Sturz doch den Kopf angeschlagen. Ihre Nerven sind wohl auch nicht die besten in der letzten Zeit. Soll ich Ihnen eines von den Script-Girls schicken, damit Sie nicht allein zu sein brauchen?“
„Das ist nicht nötig, Viktor.“
Linda Scholz ging. Schultz-Breitenberg und der Regieassistent Reuter blieben allein zurück.
„Irgend etwas geht hier vor“, sagte der Regisseur. „Je mehr ich davon mitbekomme, um so weniger gefällt es mir. Sag ein paar zuverlässigen Männern Bescheid, Rainer, sie sollen ein Auge auf alles haben, besonders nachts. In der letzten Zeit ist zuviel passiert, als daß alles Zufall sein könnte. Dahinter steckt eine Absicht. Ich werde es herausfinden.“
Der robuste, rotblonde Rainer Reuter fragte: „Die Konkurrenz, Chef?“
Der Regisseur zuckte mit den Schultern.
„Bevor morgen früh die Dreharbeiten beginnen, rufen wir Dr. Heydenreich an, den Psychiater. Mir scheint, die Scholz und der Thorn sind nervlich ziemlich mitgenommen. Die beiden fangen tatsächlich an, Gespenster zu sehen.“
Linda Scholz war nicht so zuversichtlich und selbstsicher, wie sie sich bei Schultz-Breitenberg gegeben hatte. In ihrem Zimmer angekommen, sah sie zunächst überall nach, selbst unter dem Bett, obwohl sie sich dabei lächerlich vorkam. Sie verschloß die Tür von innen. Die Rolläden hatte sie fest heruntergelassen. Draußen blitzte es immer noch, der Donner krachte. Doch das Gewitter zog schon weiter. Die aufzuckenden Blitze wurden seltener, der Donner krachte weiter entfernt. Der Regen ließ allmählich nach.
Es war ein Uhr. Linda starrte in die Dunkelheit. Sie zwang sich zur Ruhe, zwang sich, an angenehme Dinge zu denken. Sie brauchte ihren Schlaf, denn Schlaf war das beste Schönheitsmittel. Irgendwann fielen ihr die Augen zu. Der Donner drang nur noch ganz leise in ihr Bewußtsein, verrollte in der Ferne.
Linda Scholz glitt vom Dämmerschlaf in einen tiefen, festen Schlaf. Zugleich begann ihr Traum.
Nach dem Gewitter war die Luft frisch und würzig. Es roch nach Humuserde, Waldluft, harzigem Holz. Die Vögel zwitscherten, und die Sonnenstrahlen machten aus jedem Tautropfen einen prächtigen Edelstein.
Roxane von Falkenfels hörte den Klang der Jagdhörner. Graf Bodo, ihr Vater, und die übrige Jagdgesellschaft waren weit entfernt. Roxane war das recht so. Sie liebte es, allein durch den Wald zu reiten.
Diesmal hatte sie einen besonderen Grund, sich von den anderen zu trennen. Sie trieb ihren grauen Zelter über die Waldwiese zu dem Windbruch. Roxane stieg aus dem Sattel, band ihr Pferd an.
Kurz danach hörte sie einen Reiter. Sie verbarg sich hinter einem Baumstamm.
Es war Arno von Schönhall, der da näher ritt, ihr Bräutigam. Er trug ein grünes Wams mit weiten Ärmeln, Kniehosen und hohe Schnürschuhe. Ein breites, federgeschmücktes Barett beschattete sein Gesicht. Er hielt eine Armbrust in der Hand. Ein kurzer Sauspieß steckte mit dem Schaft in einer Lederscheide am Sattel. Ein Dolch baumelte an Arno von Schönhalls Gürtel.
Er sah sich um.
„Roxane? Roxane!“
Roxane antwortete nicht, schmiegte sich enger an den Baumstamm. Arno ging auf das Spiel ein. Er band seinen Fuchs neben ihrem Zelter an, sah sich um. Er war ein guter Spurenleser und sah sofort das niedergetretene Gras, die Fährte, die zu dem einzigen noch stehenden Baum im Windbruch führte.
Doch er tat so, als habe er nichts bemerkt, suchte da und dort. Roxane mußte lachen, denn er tappte absichtlich ungeschickt umher. Da kam Arno auf sie zu. Sie trat hinter dem Baum hervor.
„Wen sucht Ihr, Herr Jägersmann?“
„Die Tochter des Grafen von Falkenfels. Doch ich nehme auch mit einer so hübschen Waldnymphe vorlieb, wie Ihr es seid.“
Arno zog Roxane an sich, und sie küßten sich. Sein kurz gestutzter Kinnbart kitzelte sie. Nebeneinander saßen sie auf dem weichen, trockenen Moospolster, den Rücken gegen einen gestürzten Baum gelehnt. Sie sahen in den blauen Himmel, zu dem Regenbogen, der sich über den Wald
Weitere Kostenlose Bücher